Auch im Februar ist wieder einiges rund ums Thema #metoo passiert. In diesem Artikel berichten wir über die neuesten Entwicklungen in den Fällen Harvey Weinstein, Plácido Domingo und Siegfried Mauser.

Harvey Weinstein schuldig gesprochen

In New York wurde der Filmproduzent Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung von einem Geschworenengericht schuldig gesprochen. Das Strafmaß wird am 11. März verkündet, Weinsteins Anwälte haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Ein weiterer Prozess gegen Weinstein in Los Angeles steht noch aus, außerdem verhandeln Weinsteins Anwälte mit weiteren mutmaßlichen Opfern über zivilrechtliche Entschädigungen.

Die Vorwürfe gegen Weinstein hatten vor etwa drei Jahren die #metoo-Debatte ausgelöst. Zahlreiche prominente Schauspielerinnen, darunter Ashley Judd, Angelina Jolie und Uma Thurman hatten den einflussreichen Produzenten damals sexueller Übergriffe beschuldigt. In der Folge meldeten sich unter dem Hashtag #metoo zahlreiche Frauen, die eigene Erlebnisse publik machten und damit verdeutlichten, wie verbreitet sexuelle Belästigung, sexuelle Übergriffe und ganz allgemein die Herabwürdigung von Frauen in unserer Gesellschaft sind.

Viele betroffene Frauen feierten den Schuldspruch als wichtigen Erfolg im Kampf gegen sexuelle Gewalt. Es wurde allerdings auch kritisiert, dass Weinstein nicht in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde. Gelobt wurde vor allem der Mut der Frauen, die ihre Stimme gegen Weinstein erhoben hatten und damit die #metoo-Bewegung ausgelöst hatten. Andere sahen die Bedeutung der #metoo-Bewegung für die Gesellschaft als wichtiger an als die tatsächliche Verurteilung Weinsteins.

Berichterstattung zum Fall Weinstein in der Süddeutschen Zeitung:
MeToo-Bewegung feiert Weinstein-Verurteilung (25.02.2020)
Urteil und Vorurteil (25.02.2020)

Plácido Domingo entschuldigt sich

Neuigkeiten gibt es auch zum Fall Plácido Domingo. In unserem Beitrag „Wie wagen sie es nur?“ hatten wir bereits darüber berichtet: Mehrere Frauen warfen dem gefeierten Opernsänger sexuelle Übergriffe vor, die teilweise schon Jahrzehnte zurück liegen sollen. Domingo wies die Vorwürfe zunächst zurück, gab aber an, dass heute andere Standards gelten würden als früher. In der Folge sagten einige Opernhäuser in den USA Vorstellungen mit dem Sänger ab. Domingo beendete außerdem die Zusammenarbeit mit der Metropolitan Opera in New York. Bei den Salzburger Festspielen hingegen fand ein Auftritt statt, bei dem Domingo demonstrativ vom Publikum gefeiert wurde.

Nun hat die amerikanische Operngewerkschaft die Ergebnisse einer Untersuchung präsentiert, laut derer sich Domingo „20 Jahre lang sexueller Übergriffe schuldig gemacht und seine Macht ausgenutzt“ habe. Domingo hat die Vorwürfe daraufhin eingeräumt und sich bei den Frauen entschuldigt. Er teilte mit: „Ich möchte, dass Sie wissen, dass mir der Schmerz, den ich Ihnen zugefügt habe, wirklich leid tut. […] Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln, und ich bin aus dieser Erfahrung gewachsen.“

Die Reaktionen auf diese Entwicklungen fallen höchst unterschiedlich aus: Am Zarzuela-Theater in Madrid wurden zwei Auftritte Domingos aus „Solidarität mit den betroffenen Frauen“ abgesagt. An der Hamburger Staatsoper zeigte man sich „irritiert“ über die Entwicklung. Man wolle zunächst an den geplanten Auftritten festhalten, sich aber auch mit anderen Institutionen austauschen. Die Salzburger Festspiele berufen sich auf „unterschriebene Verträge“ mit Domingo, wollen aber „umfassende Informationen“ einholen. Die Bayerische Staatsoper München sieht dagegen keinen Grund, „vertragsbrüchig“ zu werden, also die Auftritte Domingos abzusagen.

Positiv am Fall Domingo ist für uns, dass es offenbar auch möglich ist, sexuelle Übergriffe festzustellen, ohne durch alle juristische Instanzen zu gehen. Wir begrüßen, dass Domingo sein Fehlverhalten zugibt und sich bei den betroffenen Frauen entschuldigt. Man sollte nicht unterschätzen, wie viel eine Entschuldigung einem Opfer bedeuten kann und wie viele Frauen umgekehrt vergeblich auf die Entschuldigung eines Täters warten. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass Domingo zuerst alle Vorwürfe abgestritten hatte und sich erst jetzt, wo der Bericht der amerikanischen Operngewerkschaft vorliegt, entschuldigt. Ob dieses Verhalten wirklich von Einsicht und Reue zeugt, scheint uns fraglich.

Beschämend ist für uns mal wieder das Verhalten einiger Opernhäuser. Sich mit unterschriebenen Verträgen herauszureden, ist unserer Meinung nach bloß eine faule Ausrede, um sich nicht inhaltlich zu den Vorwürfen äußern zu müssen. Jeder vernünftige Vertrag enthält im Allgemeinen eine Kündigungsklausel. Außerdem sind die Vorwürfe gegen Domingo nicht erst seit gestern bekannt; eine anderweitige Planung, die auch nicht unbedingt in der Presse breitgetreten würde, wäre sicherlich in manchen Fällen möglich gewesen. Wer allerdings an der Personalie Domingo festhielt, wusste genau, dass er Gefahr lief, in die Situation zu geraten, einen umstrittenen Sänger unter Vertrag zu haben. Hier wird die Chance verpasst, ein Zeichen gegen sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch zu setzen. Und wieder einmal fallen München und Salzburg in diesem Zusammenhang negativ auf.


Nachtrag: Mittlerweile hat Plácido Domingo seine Entschuldigung relativiert. „Ich weiß, was ich nicht getan habe, und ich werde es wieder bestreiten“, sagte er in einem neuen Statement. Er sei in seinem ersten Statement falsch verstanden worden. Wir fragen uns, wozu er sich dann überhaupt entschuldigt hat, wenn er sich seiner Meinung nach gar nichts zu Schulden hat kommen lassen. Damit ist das, was wir weiter oben geschrieben haben, natürlich hinfällig. Immerhin reagiert die Münchner Politik auf die neuen Entwicklungen: Mitglieder verschiedener Parteien fordern, die Auftritte Domingos in München abzusagen.


Berichterstattung zum Fall Domingo:
Aus nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung (BR-Klassik, 25.09.2019)
Bericht stützt Vorwürfe gegen Plácido Domingo (Süddeutsche Zeitung, 25.02.2020)
Opernstar Plácido Domingo unter Druck (Süddeutsche Zeitung, 26.02.2020)
Plácido Domingo relativiert seine Entschuldigung (Abendzeitung, 28.02.2020)

Siegfried Mauser will Haftstrafe in Österreich antreten

Und zum Schluss noch der aktuelle Stand im Fall Mauser: Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, hat der wegen sexueller Nötigung verurteilte ehemalige Präsident der HMT München einen Antrag gestellt, seine Haftstrafe in Österreich anzutreten. Dies wurde von der Staatsanwaltschaft München bestätigt. Ob auch ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, ist allerdings unklar. Laut Wikipedia-Artikel müsste mit so einem EU-Haftbefehl Österreich als EU-Mitglied Mauser eigentlich ohne Prüfung des Urteils nach Deutschland ausliefern, auch wenn Mauser die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Österreich könnte zwar darauf bestehen, Mausers Haftstrafe selbst zu vollstrecken, allerdings stellt sich die Frage, welches Interesse Österreich daran haben sollte. Ein Gefängnisaufenthalt ist immerhin mit einem hohen finanziellen Aufwand für den Staat verbunden.

Ganz egal, wie es nun genau weitergeht, gilt nach wie vor, was wir bereits in den #metoo-News Januar 2020 geschrieben haben: Diese juristischen Winkelzüge erscheinen uns als Verzweiflungsakte und sind für seine Opfer unerträglich. Das Verhalten Mausers und seiner Anwälte hat unserer Meinung nach auch nichts mehr mit der Wahrnehmung von Bürgerrechten zu tun; hier wird das Gesetz hingedreht, wie es eben gerade passt und der Rechtsstaat an der Nase herumgeführt. Wir hoffen, dass die Münchener Staatsanwaltschaft sich das nicht mehr länger bieten lässt. Auch in Österreich sollte man sich überlegen, ob man sich wirklich für Mausers Spielchen einspannen lassen möchte.

Berichterstattung zum Fall Mauser:
Siegfried Mauser will Haft in Österreich absitzen (Süddeutsche Zeitung, 20.02.2020)
Gefängnisstrafe in Österreich für Ex-Musikhochschulchef? (BR-Klassik, 26.02.2020)
Haftbefehl gegen Musikprofessor Mauser (BILD, 26.02.2020)

Laura & Daniel

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