Corona – Solidarität in der Krise!

Es ist das Thema, das aktuell die Schlagzeilen bestimmt: Die Corona-Pandemie. Jeder hat dazu eine Meinung und jeder ist plötzlich Experte. Bisher dominierte dabei die Angst vor der eigenen Ansteckung oder die Sorge vor den Folgen für die deutsche Wirtschaft. Doch durch die Absage von Sportveranstaltungen, Messen und Konzerten sind die Auswirkungen für viele ganz schnell real geworden. Und plötzlich mischt sich eine andere Frage in die Überlegungen: Was ist eigentlich mit den ganzen Arbeitnehmern? Und – noch schlimmer: Was ist mit den ganzen Selbstständigen?

Es wird im Moment viel geschrieben, die Leute müssten sich nun „solidarisch“ verhalten. Doch was heißt das eigentlich genau? Bisher ist die Rede von „Hilfsfonds“, „Lohnfortzahlungen“ bei Quarantäne oder ganz allgemein der „Gesetzeslage“. Alles schöne Worte, sicherlich, und um diese Begriffe wird sich vor allem die Politik kümmern müssen. Doch diese schönen Worte werden ganz schnell verpuffen, wenn die ersten Insolvenzanträge gestellt werden. Denn die meisten Selbstständigen stehen vor einem ganz konkreten Problem, wenn sie keine Aufträge bekommen: Sie haben sofort kein Geld mehr.

Man stelle sich die Situation eines freischaffenden Musikers vor: Man ist froh, wenn man die Miete pünktlich überweisen kann, wenn nicht allzu viele SchülerInnen absagen (denn Absage = kein Honorar!) und wenn das Orchester länger als eine Woche vorher für die Aushilfe anfragt. Man hat keine Rücklagen (Wovon auch?), geschweige denn eine Altersabsicherung und hoffentlich ein(e) PartnerIn oder Familie, die einem finanziell schon mal aus der Klemme helfen können. Planungssicherheit hat man auch in den seltensten Fällen, da Honorarverträge extrem kurze Kündigungsfristen haben und Konzertveranstalter ja ungern Verträge geschweige denn Ausfallgagen mit den MusikerInnen aushandeln.

Und nun kommen Konzert- und Unterrichtsabsagen wegen der Corona-Pandemie dazu. Wie viel Spielraum wird der oben beschriebene Musiker wohl haben? Wie lange wird er bei einem Honorarausfall von 80% – 100% wohl auf „Hilfsfonds“ warten können? Was wird ihm eine „Verschiebung“ eines Konzerts bringen? Wie lange werden die (ebenfalls krankheitsbedingt überlasteten) Behörden wohl brauchen, um die ganzen Anträge auf Entschädigung zu bearbeiten? Und in wie vielen Fällen wird dann in 6 bis 12 Monaten herauskommen, dass kein Anspruch auf eine solche besteht, da man irgendeine bürokratische Kleinigkeit nicht beachtet hat? Und was soll der Musiker in dieser Zeit machen? Nicht wenige werden wahrscheinlich zumindest übergangsweise auf Sozialhilfe angewiesen sein, auch Privatinsolvenzen sind denkbar. Besonders dramatisch wird es für die werden, die keine familiäre Absicherung haben. Frauen – besonders Alleinerziehende – wird es noch härter treffen, der Gender-Paygap lässt grüßen.

Aber kommen wir noch einmal auf den Solidaritäts-Begriff zurück. Denn wir erleben bisher vielfach genau das Gegenteil: Veranstalter und Arbeitgeber wollen herausfinden, wozu sie gesetzlich „verpflichtet“ sind. Angestellte und Selbstständige wollen wissen, was ihnen „zusteht“. Doch so wird sich die Krise unserer Meinung nach nicht lösen lassen. Es wird am Ende nicht herauskommen, dass wir alle oder auch nur manche keine Einschränkungen spüren werden. Und es wird auch nicht funktionieren, wenn wir uns „notwendige Einschränkungen“ gesetzlich verordnen lassen. Wenn alle so denken, werden sich Arbeitnehmer am Ende durch alle Instanzen klagen müssen, bevor sie eine finanzielle Entschädigung erhalten. Das haben mittlerweile auch andere Stellen erkannt, beispielsweise der Deutsche Tonkünstlerverband: Er schreibt in einer Email an seine Mitglieder, er „möchte versichern, dass wir zu unseren Förderzusagen und Zuwendungen stehen, auch wenn Veranstaltungen aufgrund des COVID19 abgesagt werden. […] Bitte achten Sie darauf, dass von den durch uns gewährten Zuwendungen und Förderzusagen auch diejenigen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, die durch Sie engagiert wurden und die als Selbständige in besonderer Weise von den Veranstaltungsabsagen betroffen sind, partizipieren.

So sieht wahre Solidarität aus: Jeder und jede muss sich überlegen, was er oder sie für alle tun kann. Auch andere Bereiche sollten nachziehen: Die Musikschule könnte beispielsweise ihre Honorarkräfte einfach unbürokratisch weiter bezahlen. Gedeckt werden könnte das durch die Musikschulbeiträge, die die Eltern ja ohnehin zahlen. Man könnte bei abgesagten Konzerten für Besucher eine Möglichkeit einführen, auf einen Teil des Kartenpreises zu Gunsten der Mitwirkenden zu verzichten. So könnten auch die AushilfsmusikerInnen, freiberufliche Kameraleuten, outgesourctes Einlass- oder Reinigungspersonal und noch viele Personen mehr, an die man im ersten Moment nicht denkt, etwas bekommen. Auch festangestellte Orchestermusiker könnten auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, um den Aushilfen wenigstens ein bisschen von ihren Gagen auszuzahlen. Im Gegenzug müssten sich die Selbstständigen natürlich überlegen, wie viel Geld sie wirklich bräuchten und die Solidarität nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Dies sind nur ein paar Beispiele, doch die Grundidee dürfte klar sein und sich auf beliebige Bereiche übertragen lassen. Solche Maßnahmen sind keinesfalls übertrieben: Wenn eine Selbstständige jetzt keine Gage bekommt, ist sie bei der nächsten Mietabbuchung im schlimmsten Fall pleite!

Wir persönlich haben in der letzten Zeit gut verdient und gewirtschaftet. Ein paar Monate könnten wir gut überbrücken. Es wäre für uns daher zumindest im Moment eine Selbstverständlichkeit, auf Gagen und Honorare von ausgefallenen Veranstaltungen zu verzichten, selbst wenn sie uns theoretisch zustünden. Es gibt mit Sicherheit MusikerInnen, die das Geld wesentlich dringender bräuchten. Es wäre uns eine große Freude, zu sehen, dass andere dadurch vor der Pleite bewahrt würden. Es muss aber auch gesichert sein, dass das Geld dann bei den Richtigen ankommt (siehe DTKV).

Was uns aber noch mehr freuen würde, wäre, wenn die aktuelle Krise ein Umdenken in Sachen Umgang mit Selbstständigen (MusikerInnen) bewirken würde. Denn nun zeigt sich ganz deutlich, was Honorar-, Ketten- und Aushilfsverträge für dramatische Nachteile haben. Flächendeckend mit diesen „Beschäftigungsverhältnissen“ zu arbeiten, war und ist ein Riesenfehler. Unzählige freischaffende MusikerInnen haben jahrelang zu unwürdigen Bedingungen gearbeitet und damit den Musikbetrieb am Laufen gehalten. Nun sollen sie in der Corona-Krise auch noch die Zeche zahlen: Während ihre fest angestellten KollegInnen zumindest eine Zeit lang auf Lohnfortzahlung bauen können, stehen sie vor dem Nichts.

In diesem Sinne: Solidarität heißt nicht, dass sich andere dafür einsetzen sollen, meinen Verlust möglichst klein ausfallen zu lassen. Es heißt, dass ich mich dafür einsetzen muss, den Verlust aller möglichst klein zu halten. Wir alle sollten darüber nachdenken, was jeder und jede von uns zu einer solchen Solidarität beitragen können.

Laura Oetzel & Daniel Mattelé

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert