„Und, wie geht es Dir denn so mit Corona?“ Diese Frage wurde uns und vielen anderen in den letzten Monaten überdurchschnittlich häufig gestellt. Die Frage scheint naheliegend, wo doch die Pandemie und die damit verbundenen Einkommensausfälle, Kranken- und Todesfälle, psychische Belastungen und wachsende gesellschaftliche Ungerechtigkeit uns allen schwer zusetzt. Und doch dürfte die Frage in vielen Fällen kaum ehrlich beantwortet worden sein. Möchte man seinem Nachbarn auf die Nase binden, dass man die Einkäufe wegen Long-Covid nicht mehr die Treppe hoch tragen kann? Möchte man seinen Arbeitskolleg*innen beichten, dass man die ganzen Krankentage nicht wirklich krank war, sondern nur aus Sorge gefehlt hat, man könne sich beim Mitarbeiter, der auch nach über einem Jahr Pandemie zu doof ist, die Maske über die Nase zu ziehen, anstecken? Oder möchte man wirklich zugeben, dass man das letzte Jahr größtenteils mit Netflix verbracht hat, anstatt ganz tolle neue Projekte auszuarbeiten?
Hier mal eine ehrlich Antwort unsererseits: Uns geht es nicht gut. Wir haben im Oktober 2020, als es mit der Inzidenz gerade nicht so schlimm war, ein einzelnes Duo-Konzert gehabt. Das nächste Konzert fand erst wieder in diesem Juli statt. Dieses Konzert wäre wegen einer Verletzung auch noch beinahe ausgefallen (da merkt man, wie sehr man als Musiker*in von der körperlichen Fitness abhängt!). Laura hatte Glück und konnte an ihrer Musikschule weiterarbeiten. Das ist bei Honorarkräften nicht selbstverständlich – andere Musikschulen entschlossen sich im April 2020, ihre Honorarkräfte vertragsgerecht im Regen stehen zu lassen und allen Unterricht unbezahlt ausfallen zu lassen. Doch auch bei ihr war das Unterrichten mit dem ständigen hin und her zwischen Online- und Präsenzunterricht und fast wöchentlich neuen Hygienevorschriften alles andere als einfach. Daniel hatte mehr Pech und seit März 2020 nur ein einziges Konzert als Orchesteraushilfe. Dieses Konzert war allerdings auch nicht sonderlich erfreulich. Wir wollen die Geschichte nicht zu weit ausbreiten, nur kurz so viel: Die viel beschworene Solidarität der Orchester mit freien Musiker*innen in der Krise ist manchmal so weit entfernt wie die Herdenimmunität.
Über die Probleme der freiberuflichen Künstler*innen wurde schon viel berichtet: Wegbrechende Aufträge, fehlende Unterstützung durch Staat und Gesellschaft, „Sofort“-hilfen, die für uns nicht oder nur unter erheblichem bürokratischen Aufwand erreichbar sind… Die Liste ist lang, doch wie es den Künstler*innen persönlich damit geht, das liest man selten. Dabei erreichen uns viele Berichte von anderen Musiker*innen und Künstler*innen, die sehr unter diesen Belastungen leiden. Dass sie öffentlich nicht darüber sprechen, liegt vielleicht auch daran, dass wir oft eine „The Show must go on“-Mentalität an den Tag legen, die uns davor bewahrt, dem Publikum allzu tiefe Einblicke in unser Privatleben zu gewähren.
Dabei ist es das Privatleben, was die künstlerische Laufbahn bestimmt. Wie soll man sich zu reifen, vielschichtigen Künstler*innen entwickeln und innovative Projekte auf die Beine stellen, wenn man an manchen Tagen Schwierigkeiten hat, morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen? Auch für uns waren die Belastungen des Alltags in der letzten Zeit groß. Zu den Problemen mit der Pandemie kamen auch noch Schwierigkeiten im privaten Umfeld. Auf unserem Blog haben wir kaum etwas geschrieben, auch wenn viele spannende Dinge passiert sind: Der Brandbrief der Musikstudierenden zum Beispiel, oder die Gründung des Vereins „Pro Musik“. Auch die never-ending-story Siegfried Mauser hat uns beschäftigt. Zu manchen dieser Themen finden sich Textanfänge und Entwürfe in unseren Unterlagen, die es nie über Stichpunkte oder einen ersten Absatz hinaus geschafft haben. Beziehungsweise: Wir haben es einfach nicht geschafft.
Aber bitte versteht diesen Text nicht falsch: Wir wollen nicht jammern oder anderen die Schuld für diese Belastung in die Schuhe schieben. Wir wollen in erster Linie um Verständnis für die Künstler*innen werben, die in den letzten Monaten keine zehn CDs aufgenommen oder dutzende Livestream-Konzerte veranstaltet haben – wer dies trotzdem geschafft hat, verdient natürlich unseren größten Respekt! Verständnis sollte man auch für die Musikstudierenden haben, die in den letzten Semestern 24 Stunden am Tag in einem winzigen Wohnheimszimmer gehockt haben, auf die wertvollen Erfahrungen des studentischen Lebens fast vollständig verzichten mussten und nun am liebsten ihr Studium abbrechen würden. Und nicht vergessen wollen wir die Musikschullehrer*innen, die ihren Unterricht vielleicht nicht so gründlich vorbereiten konnten wie sonst, weil ihnen keine angemessene Kinderbetreuung zur Verfügung stand.
Wir sind uns sicher: Wenn wir Verständnis haben, werden uns diese Künstler*innen dies mit bewegenden Konzerten oder inspirierendem Musikunterricht zurückzahlen! Wir freuen uns jetzt schon auf eine Zeit, wenn alle geimpft sind (Bitte, lasst euch alle impfen!) und wir die Musik wieder gemeinsam genießen können. Wir haben viele Ideen für großartige Projekte, die wir sofort in Angriff nehmen wollen – wenn wir wieder die Energie dafür haben. Dafür bitten wir noch um ein wenig Geduld.