Dieses Jahr wollten wir unser neues Programm Ángel y Diablo – Tango für zwei Harfen bei der GEMA anmelden, weil die meisten der darin gespielten Kompositionen noch urheberrechtlich geschützt sind. Dazu riefen wir mal wieder zwecks Beratung bei der GEMA an. Dieses Gespräch stellte alle kuriosen Berichte über die GEMA, die wir schon kannten, in den Schatten. In dem 30-minütigen Gespräch hatte sich die uns beratende Person zwar sichtlich Zeit genommen und auch einiges Engagement gezeigt, Informationen für uns zu beschaffen. Dennoch fühlten wir uns abwechselnd in Kafkas „Prozess“ und „Verstehen Sie Spaß?“ versetzt. Wir versuchen hier unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der uns beratenden Person, den Gesprächsverlauf wiederzugeben.
„Ernste Musik“ – Klänge aus dem Pharaonengrab?
Zuerst wollten wir wissen, ob unser Programm unter E-Musik oder U-Musik zu rechnen sei. Diese Frage ist insofern interessant, als für die beiden Sparten höchst unterschiedliche Vergütungen berechnet werden. Die GEMA teilt Musik ja in „ernste Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ ein. Diese Unterteilung ist umstritten. Ursprünglich diente sie dazu, klassische Musik als schützenswertes Kulturgut gegenüber der oft kommerziell erfolgreicheren Popmusik zu erhalten. In der Praxis ist diese Trennung schwierig und erscheint heute nicht mehr sinnvoll. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder, die diese Unterscheidung noch praktizieren.
- Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Berechnung von U- und E-Tarifen ist folgender: Beim Tarif U-K werden im Regelfall 5,75% der Einnahmen an die GEMA abgeführt. Für E-Musik werden Pauschalsätze unabhängig von den tatsächlichen Einnahmen festgelegt. Die Gebühren sind deutlich höher als bei U-Tarifen und liegen oft über 10% oder sogar 20% der Einnahmen. Härtefallregelungen sind zwar vorgesehen, sind aber schwer auf der GEMA-Homepage zu finden und unserer Meinung nach nicht sehr benutzerfreundlich.
Wir: „Was genau fällt den unter ‚ernste Musik‘?“
GEMA: „Also ernste Musik ist alles, wo schon Staubflocken dran sind. Also so schwere Komponisten, Bach, Haydn, Mozart. Also eigentlich klassische Musik, Musik die uns so traurig macht. Und wo der Komponist schon länger gestorben ist, also 70 Jahre.“
An diesem „Statement“ ist so vieles schräg, dass man kaum weiß, wo man beginnen soll. Zuerst mal: Es gibt durchaus lebendige Komponisten, die sich der E-Musik zurechnen, die nicht schon mumifiziert sind! Genau diese Künstler sollte die GEMA nach ihrem Selbstverständnis besonders vertreten! Dass die GEMA durch ihre MitarbeiterInnen erklärt, E-Musik sei „schwer“, „traurig“ und habe Staub angesetzt, sollte eigentlich alle klassischen MusikerInnen auf die Barrikaden treiben. Außerdem wäre nach dieser Definition alles U-Musik, was unter die GEMA-Pflicht fällt. Darunter würden dann selbst Klassiker der Moderne wie Paul Hindemith oder Igor Strawinsky fallen.
Zu unserer großen Überraschung meinte die Beraterin, dass unsere Konzerte unter die Kategorie U-Musik fallen würden. Das war für uns zwar aus finanzieller Sicht gut, aus musikalischer aber nur schwer nachvollziehbar. Astor Piazzolla würde sich im Grabe herum drehen!
Neuland Internet
Da Laura Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband ist, würde uns der Rabatt des entsprechenden Gesamtvertrags zustehen.
Laura: „Ich bin Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) und möchte den Rabatt in Anspruch nehmen. Wie hoch ist der noch mal?“
GEMA: „Moment, ich schaue in unserer Liste mit Gesamtvertragspartnern nach. Also, in welchem Verband sind Sie noch mal? … Und die Abkürzung? Mit weichem d also? … Wie war noch mal der volle Name?“
Eine Suche in den Akten der GEMA ergab nur langsam einen Treffer.
GEMA: „Unsere Homepage ist neu, da findet man leider nicht immer was. Außerdem funktioniert die Suchfunktion oft nicht, weil das so eine komische Schriftart ist. … Oh, und jetzt ist das Internet weg!“
Der korrekte Rabatt für Mitglieder des DTKV – übrigens in der nicht unerheblichen Höhe von 20 % – wurde dann ermittelt, indem die Homepage des DTKV zu Rate gezogen wurde.
Dass die MitarbeiterInnen der GEMA nicht jeden Hasenzüchterverein aus der Provinz auf dem Schirm haben, wenn ein Kunde danach fragt, ist verständlich. Dass man dort aber vom größten Berufsverband der Musiker in Deutschland noch nichts gehört hat, finden wir skandalös.
- Der Deutsche Tonkünstlerverband als ältester und größter Berufsverband für Musiker (Gründung: 1847) ist mit rund 8.300 Mitgliedern in 16 Landesverbänden organisiert und ist die Standesvertretung für Musikberufe – Interpreten, Komponisten, Musikpädagogen etc.
Die Mitgliedschaft im Deutschen Tonkünstlerverband ist ein Markensiegel für Musikberufe. Die qualifizierte Ausbildung zum Musiker oder Musikpädagogen (z.B. Hochschulstudium) ist Voraussetzung für die ordentliche Mitgliedschaft.
aus dem Leitbild des DTKV
Nun zur Berechnung unserer Gebühren:
Die Formel zur Berechnung der GEMA-Gebühren beim Tarif U-K (Unterhaltungskonzert) bis 2000 Personen lautet: 5,75% x höchster Eintrittspreis x verkaufte Karten. Beispielsweise betragen die Gebühren bei 50 verkauften Karten mit 15 € höchstem Eintritt also 43 €. Auf unsere Nachfrage, was mit den ermäßigten Karten sei, ergab sich, dass diese keine Rolle spielen. Die GEMA berechnet also grundsätzlich einen höheren Betrag, auf den wir dann Abgaben bezahlen müssen, als wir nachweislich eingenommen haben (GEMA: „Verhaften Sie mich nicht! Ich hab‘ die Regeln nicht gemacht!“)
Dazu kommt, wie aufmerksame Blog-Leser wissen, dass wir als klassische Musiker von der Umsatzsteuer befreit sind. Wir müssen also aufgrund unserer Steuerbefreiung einen höheren Satz bei der GEMA deklarieren, als wenn wir diese nicht geltend machen würden. Würden wir diese deshalb unter den Tisch fallen lassen, wäre das natürlich Betrug. Wie man es auch dreht und wendet, kommt für uns MusikerInnen meist die ungünstigste Lösung heraus.
Als wir nach diesem Phänomen fragten, war die Beraterin erstmal perplex und musste gestehen – übrigens nicht zum ersten Mal in diesem Gespräch – dass dieses Anliegen noch niemand vorgebracht hätte. Wir müssen also annehmen, dass klassische MusikerInnen, die ein Konzert selbst veranstalten, Mitglied im größten deutschen Berufsverband für MusikerInnen sind und die ihnen zustehende Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen, nicht die Hauptklientel der GEMA sind.
Kleinkunst im Stadion
Überall zeigt sich, dass „kleine“ Künstler von der GEMA nicht gerade bevorzugt behandelt werden – wobei das „Problem Kleinkünstler“ eigentlich alle trifft, die keine international erfolgreiche Rockgruppe sind:
Die untersten Tarife, die möglich sind, gehen von einer absurden Größe der Veranstaltung aus. In der E-Musik ist die unterste Kategorie für Räumlichkeiten „bis 100 Personen“ – obwohl die meisten Kammermusiksäle 60-80 Sitzplätze haben, die auch nicht zwingend alle belegt sind. Noch größer ist der Unterschied zwischen Realität und GEMA in der U-Musik: Dort ist die unterste Kategorie für Veranstaltungsorte „bis 2000 Personen“. Es gibt nur zwei weitere Kategorien: „bis 15000 Personen“ und „mehr als 15000 Personen.“ Nur so zum Vergleich: In den Saal einer Philharmonie passen etwa 2000 Menschen – und es soll ja auch Bands geben, die nicht ausschließlich in Fußballstadien auftreten…
Die Rechnung, bitte!
Nach langen hin und her schafften wir es tatsächlich, unsere Konzerte über den Tarif U-K anzumelden. Die dicke Überraschung kam dann nach dem ersten Konzert: Statt der von uns prognostizierten 25 € wollte die GEMA über 100 € haben! Wir waren natürlich erstmal geschockt und fragten uns, ob unser Konzert vielleicht doch in die E-Musik-Kategorie gerutscht war. Garantieren wollte uns das die freundliche Dame damals am Telefon nämlich nicht! Ein Anruf bei der GEMA brachte dann Klarheit: Aus unerfindlichen Gründen waren wir in einen völlig falschen Tarif gerutscht. Gut, dass wir die Rechnung nicht einfach zähneknirschend bezahlt hatten. Die Berechnung, die wir gemacht hatten, sei prinzipiell schon zutreffend. Wir müssten nun offiziell Beschwerde bei der GEMA einreichen, um die korrekte Rechnung zu erhalten. Natürlich mit einem neuen, extra dafür vorgesehenen Formular…