Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Artikel über eine mutige und starke Frau stehen. Vor ein paar Wochen haben wir Maria Collien in Berlin getroffen. Ausführlich berichtete sie uns über ihre Eindrücke aus den Mauser-Prozessen, schilderte uns die Begegnungen mit ihm und seine Übergriffe und erzählte aus ihrem bewegten Leben. Die Perspektive der Betroffenen – die wollten wir von Anfang an auf diesem Blog in den Fokus rücken.

Doch nun kommt es leider anders. Denn obwohl Mauser und seine Anwälte mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof gescheitert sind, obwohl seine Taten laut Gericht zweifelsfrei bewiesen sind, obwohl die beiden Urteile wegen sexueller Nötigung rechtskräftig sind und obwohl die daraus resultierende Haftstrafe nicht mehr ausgesetzt werden kann, steht nun auch noch die Möglichkeit einer Verfassungsklage gegen das Urteil im Raum. Das bedeutet zwar nicht, dass die Opfer sich nicht öffentlich äußern dürfen oder er in irgendeiner Form als unschuldig gilt – die Verfassungsklage hat keine aufschiebende Wirkung –, aber es ist davon auszugehen, dass jede Äußerung der Betroffenen innerhalb und außerhalb eines Gerichts von Mausers Anwälten auseinandergenommen und auf Unstimmigkeiten geprüft würde. Da wir auch nur Menschen sind, können wir aber nicht garantieren, dass ein Artikel auf diesem Blog in jedem Satz und jeder Formulierung höchsten juristischen Ansprüchen genügt. Im schlimmsten Fall könnte unser Artikel also den Betroffenen noch schaden.

Aber wir möchten die Darstellung der Ereignisse des Herrn Mauser auch nicht einfach so unkommentiert stehen lassen. Wir werden diesen Artikel daher dazu nutzen, das positive Bild von ihm, welches in manchen Kreisen nach wie vor hochgehalten wird, gründlich zu durchleuchten. Wir tun dies nicht, um ihn als Person zu demontieren, sondern um den Betroffenen die Chance zu geben, sich mit ihrer Darstellung der Ereignisse auch in der Öffentlichkeit durchzusetzen.

Großer Mensch und Großer Künstler

Das Bild von Siegfried Mauser wurde leider aufgrund einer mutmaßlichen Urheberrechtsverletzung auf Wikipedia gelöscht.

Mauser war und ist unbestritten ein großer Künstler. Und bevor die ersten Vorwürfe gegen ihn laut wurden, galt er auch als großer Mensch. So stellte nicht nur er selbst sich dar; unzählige StudentInnen, SchülerInnen, WeggefährtInnen und nicht zuletzt die ganzen anderen Größen der Musik- und Intellektuellen-Szene ließen nichts auf ihren „Sigi“ kommen. Mauser gilt als einer der am besten vernetzten klassischen Musiker; zu seinen Freunden zählen Personen wie Hans Magnus Enzensberger oder Nike Wagner. In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (BADSK) ging er ein und aus. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ein Sturm der Entrüstung losbrach, als ihm vorgeworfen wurde, er habe mehrere Frauen sexuell bedrängt. Entrüstung darüber, wie diese Frauen es wagen konnten, ihn zu beschuldigen, wohlgemerkt! Dass Mauser gewalttätig gegenüber Frauen geworden sein sollte, konnte sich niemand, der ihn kannte, vorstellen. Zu diesem Zeitpunkt gingen die wenigsten davon aus, dass die Fälle überhaupt vor Gericht landen, geschweige denn, dass Mauser verurteilt werden würde.

Es gab aber auch Leute, die Mausers Version der Geschichte nicht einfach so schlucken wollten. Dazu gehörte unter anderem der Münchner Komponist und Hochschulprofessor Moritz Eggert. Er sprach als Mitglied der Akademie der Schönen Künste sowohl dort das Thema an, als auch innerhalb der Hochschule. Dafür schlugen ihm Unverständnis und sogar Hass entgegen; in der Hochschule wurde ihm mit Kündigung gedroht. Die öffentliche Meinung schien zu dem Zeitpunkt klar pro Mauser zu sein. Vielleicht auch deshalb zögerte die Musikhochschule München lange, sich von ihrem ehemaligen Präsidenten zu distanzieren.

Tückische Tellerminen

Hans Magnus Enzensberger schrieb 2016 einen Leserbrief zum Fall Mauser, in dem er Frauen mit „tückischen Tellerminen“ verglich.

Im Mai 2016 verurteilte das Amtsgericht München Mauser im Schornsheim-Prozess zu einer Bewährungsstrafe. Das veranlasste manche seiner Freunde zu einer denkwürdigen Leserbrief-Aktion in der Süddeutschen Zeitung: „Dass eine Kollegin von Siegfried Mauser, die all die Zeit seither keinen Mucks gegenüber dem Verurteilten hat verlauten lassen, nach sechs Jahren die Zeit für gekommen hält, Anzeige zu erstatten, lässt auf einen Racheakt schließen oder auf ein Komplott“, schrieb „Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München“. Laut Hans Magnus Enzensberger glichen „Damen, deren Avancen zurückgewiesen werden, […] tückischen Tellerminen.“ „Man kann nur hoffen, dass in nächster Instanz das Urteil des Amtsgerichts München aufgehoben und die Ehre Siegfried Mausers wiederhergestellt wird“, schrieb „Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Borchmeyer, Altpräsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München“. Und er fügte hinzu: „Gewiss, läge wirklich ein kriminelles Fehlverhalten vor, wie es ihm das Amtsgericht München zur Last legt, würde das auch durch seine bedeutende Lebensleistung schwerlich aufgewogen.“

Siegfried Mauser – Opfer eines Justizskandals?

Diese drastischen Reaktionen stellten vor allem die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und Nebenklägerinnen in Frage. Genau darauf zielten Mausers Anwälte in ihrer Verteidigung ab, auch nach dem ersten Urteil. Immer wieder war aus Mausers Umfeld zu hören und zu lesen, das Gericht habe ein Fehlurteil gefällt. Mauser sei kein Gewalttäter und selbstverständlich unschuldig. Das Gericht habe keine oder zu wenig Zeugen der Verteidigung zugelassen. Die Personen, die gegen Mauser aussagten, seien allesamt unglaubwürdig und permanent selbst knapp an einer Falschaussage vorbeigeschrammt. Wer sich gegen Mauser stellte, wurde öffentlich bloßgestellt oder gleich wegen Verleumdung verklagt. Das Urteil sei ja noch nicht rechtskräftig, daher dürfe Mauser auch nicht als Sexualstraftäter bezeichnet werden.

Die Dokumentation „Die Hand am Po“ in der ARD-Mediathek

Auch Mauser selbst stellte sich in Zeitungsinterviews und in der ARD-Dokumentation „Die Hand am Po“ als Opfer dar. Nicht nur würden die Frauen allesamt die Unwahrheit sagen, es gehe ihm auch selbst sehr schlecht. Er könne seinen Alltag nur mit Medikamenten überstehen, die Anwaltskosten und Gagenausfälle hätten sein Privatvermögen größtenteils aufgefressen; er sei finanziell ruiniert. Mehrfach bedankte er sich bei allen Freunden und seiner Familie, die in diesen schweren Zeiten zu ihm halten würden. Er widersprach der Darstellung der Frauen, der Sex mit ihm sei nicht einvernehmlich gewesen. Er gab zwar zu, mit sehr vielen Frauen intime Beziehungen gehabt zu haben, erklärte dies aber damit, dass er eben ein Freigeist und leidenschaftlicher Mann sei. In seiner Version der Vorfälle bedrängten Frauen ihn, weil sie um jeden Preis eine Stelle haben wollten; Schmerzensschreie wurden bei ihm zu Lustschreien. Man konnte richtig Mitleid mit diesem netten, älteren Herren bekommen, der bestimmt keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte.

Der frühere Präsident der BADSK Dieter Borchmeyer gehört zu den Herausgebern einer Festschrift zu Mausers 65. Geburtstag

Aussage gegen Aussage = keine Beweise?

In allen vier Mauser-Prozessen – in zwei weiteren wurde er freigesprochen – stand Aussage gegen Aussage. Die Gerichte hatten die schwierige Aufgabe, zu beurteilen, welche Seite glaubwürdiger erschien. Dabei kamen sie zu dem Urteil, dass die betroffenen Frauen präzise und nachvollziehbare Aussagen gemacht hatten. Zumindest beim Collien- und beim Schornsheim-Prozess sahen sie ein strafbares Verhalten. Auf Mausers Seite war man sich nach jedem Prozess sicher, dass das Urteil in der nächsten Instanz anders ausfallen würde. Denn – so die Argumentation der Anwälte – es gäbe ja überhaupt keine Beweise gegen ihren Mandanten! Der Schornsheim-Prozess ging bis vors Landgericht, der Collien-Prozess sogar bis zum Bundesgerichtshof. Doch es nützte nichts: Beide Urteile wurden bestätigt und sind damit rechtskräftig. Die Haftstrafe summiert sich auf über drei Jahre; ab zwei Jahren kann eine Haftstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Wer gedacht hatte, dass mit dem Urteil des BGH nun alles vorbei sei, sah sich getäuscht. Mausers Freunde mobilisierten noch einmal alle Kräfte, um den Ruf des armen Mannes zu retten. „Es geht ihm sehr schlecht“, ließ sich Mausers Anwalt in der TZ zitieren. „Ich bin schockiert über die Urteilsbestätigung des BGH, da dies letztlich bedeutet, dass man für bloßes Grapschen in einer bis zu 15 Jahre zurückliegenden Tat knapp drei Jahre in den Knast wandert.“ Die Akademie der Schönen Künste weigerte sich, ihn fallen zu lassen und lehnte einen Ausschluss Mausers zunächst ab. Stattdessen war geplant, eine Festschrift zu Mausers 65. Geburtstag herauszugeben. Zwar nicht direkt durch die Akademie, aber viele Mitglieder hatten daran mitgewirkt. Als Herausgeber zeichnete sich unter anderem Dieter Borchmeyer verantwortlich. Im Vorwort hieß es: „Sein bisweilen die Grenzen der bienséance überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt.“

Nous sommes Siegfried

Mauser trat letztendlich freiwillig aus der Akademie aus. Diesen „selbstlosen“ Schritt unternahm er nach eigener Aussage, um Schaden von der Akademie abzuwenden. In einem Brief wandte er sich an seine Fans auf Facebook. Sein Post war mit dem in seiner Fangruppe üblichen Hashtag „Nous sommes Siegfried“ versehen, in Anlehnung an die Solidaritätsbekundungen in Folge der Anschläge auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris. Siegfried Mauser – das missverstandene Genie, dem von so vielen Seiten übel mitgespielt wurde und mit dem die ganze Welt mitleidet.

Was bleibt also vom Mauser-Skandal, wenn man die Geschichte einmal so nennen möchte? Erst kürzlich unterhielten wir uns mit einem Bekannten darüber. Er hatte die Berichterstattung zwar mitbekommen, war aber mit den Details nicht so vertraut wie wir. „Ach ja“, sagte er schließlich, „wahrscheinlich wird man nie herausfinden, was eigentlich passiert ist und ob die Frauen wirklich die Wahrheit gesagt haben.“ So ist es eben, wenn es in einem Prozess darum geht, wem das Gericht mehr glaubt, oder?

Moment mal…

So ist es keineswegs! Wir lassen uns nicht so subtil manipulieren. Die Zweifel, die gesät wurden, waren Teil einer ganz bestimmten Taktik. Wir alle sollen nun denken: Das kann man ja so genau alles gar nicht sagen. Aber das kann man sehr wohl! Lasst uns deshalb noch einmal zum Anfang zurückkehren, um genau zu schauen, wie die Dinge wirklich stehen.

Die wahre Größe eines Menschen

Wie reagiert ein „großer“ Mensch, wenn ihm ein Verbrechen vorgeworfen wird? Man würde sich vermutlich eine sachliche, nüchterne und vielleicht sogar einsichtige Reaktion wünschen. Besonders als Opfer dieser Straftat würde man auf Verständnis hoffen. Die wenigsten Opfer wollen den Täter am Galgen oder im Gefängnis sehen; ihnen geht es oft eher darum, Anerkennung des eigenen Leids zu erfahren und weitere potenzielle Opfer zu schützen. Sowohl bei Christine Schornsheim als auch bei Maria Collien war die Anzeige ursprünglich dadurch motiviert, dass sie anderen helfen wollten. Um das Leid der Opfer anzuerkennen gibt es gibt übrigens auch die Möglichkeit, als Täter eine freiwillige finanzielle Entschädigung zu leisten. So etwas kommt nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch vor Gericht gut an, auch wenn man natürlich aufpassen muss, dass ein Täter sich so nicht „freikaufen“ kann. Hätte Siegfried Mauser eine solche Entschädigung geleistet, aufrichtig Reue gezeigt und ein Geständnis abgelegt, hätte er vielleicht sogar nicht einmal ins Gefängnis gemusst. Doch Mauser entschied sich für einen anderen Weg. Er wies zunächst alle Vorwürfe zurück – ein nachvollziehbarer, wenn auch nicht unbedingt notwendiger Schritt. Und dann nahm er sich, wie es sein gutes Recht war, einen Anwalt: Alexander Stevens. Dieser Schritt klingt unspektakulär, doch lasst uns hier einmal genauer hinschauen. Wer ist dieser Mann?

Alexander Stevens ist ein Anwalt, der die Öffentlichkeit nicht scheut. Er spielte in der TV-Serie „Richter Alexander Hold“ mit und war zu Gast in mehreren Talkshows. Zu seinen Publikationen zählen die Bücher „Sex vor Gericht – Ein Anwalt und seine härtesten Fälle“ und „Aussage gegen Aussage – Urteile OHNE Beweise“. Auf seiner Homepage verlinkt er auf Zeitungsartikel, die sich unter anderem mit dem Thema Falschbeschuldigungen beschäftigen. Er ist kein Freund der Verschärfung des Sexualstrafrechts aus dem Jahr 2016 und glaubt, dass bis zu 50 % aller Anzeigen wegen Vergewaltigung Falschbeschuldigungen sein könnten. Er gilt als Spezialist für solche Fälle und verspricht eine überdurchschnittliche Erfolgsquote. Sein „Erfolgskonzept“: Die „Ausschöpfung aller juristischen Möglichkeiten“ und bei Bedarf eine „konfrontative Prozessverteidigung“. Die „typischen Schwachpunkte des Justizsystems“ sollen dabei ausgenutzt werden. Das alles ist selbstverständlich nicht billig: Mauser selbst gab die Kosten, die ihm bis dahin durch die Prozesse entstanden waren, in einem Interview mit der BILD vom 9. Februar 2019 mit 220.000 € an. Ein nicht unerheblicher Anteil davon dürften Anwaltskosten gewesen sein. Wer das liest, kann schon ahnen, in welche Richtung Mausers Verteidigungsstrategie gehen würde. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, alles, was später passierte, und alles, was in den Medien landete, gründlich zu hinterfragen.

Stasi-Akten und geistige Verwirrung

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigte das Urteil gegen Siegfried Mauser.

Es war von Anfang an klar, dass in den Prozessen Aussage gegen Aussage stehen würde. Weder die Nebenklägerinnen noch Mauser selbst hatten Zeugen für die fraglichen Ereignisse. Darüber hinaus gab es aber noch ein viel wichtigeres Feld, auf dem das „Team Mauser“ die Kontrolle nicht verlieren durfte: Die öffentliche Meinung. Die Öffentlichkeit müht sich allerdings nicht mit juristischen Details ab, wie sie vor Gericht wichtig sind. Es mussten daher einfache und griffige Erklärungen für die Aussagen der Frauen gefunden werden. Und so geschah es auch: Sie sahen sich schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden private Rachefeldzüge vornehmen; auf Grund von verpassten Karrierechancen, Zurückweisungen oder einfach nur, weil sie sich von Mauser ungerecht behandelt fühlten. Unterlegen ließen sich diese Geschichten wunderbar mit scheinbaren Widersprüchen („Warum trifft sie ihn denn nochmal, wenn er sie beim ersten Treffen zum Sex gedrängt hat?“) und aus dem Zusammenhang gerissenen „Beweisen“. Diese „Beweise“ lagen den Gerichten alle vor, aber sie schätzen ihre Bedeutung anders ein. Doch die Strategie ging zunächst auf: Erstens konnte so behauptet werden, die Gerichte hätten die „Beweise“ für Mausers Unschuld nicht genügend gewürdigt, und zweitens waren bei den unbeteiligten Zuschauern die ersten Zweifel gestreut.

Im Gerichtsaal wurde dagegen eine ganz andere Strategie verfolgt: Den Nebenklägerinnen sollte – salopp formuliert – das Leben zur Hölle gemacht werden. Es wurde alles daran gesetzt, ihre Glaubwürdigkeit zu zerstören und Widersprüche in ihren Aussagen zu finden. Doch zum großen Pech der Verteidiger gestaltete sich dieser Teil äußerst schwierig; die Widersprüche, die sich in den Aussagen ergaben, waren nur minimal. Maria Collien erinnerte sich beispielsweise nicht mehr genau daran, wie lange ihre erste Vernehmung bei der Polizei gedauert hatte oder ob Mauser ihr beim zweiten oder dritten Übergriff an die Hose oder den Busen gegriffen hatte. Die Anwälte klammerten sich jedoch an diese Strohhalme. Erklärung für die „Widersprüche“: Geistige Verwirrung! Traurige Höhepunkte dieser Demontage waren, als eine „unbeteiligte“ Person beantragte, die Stasi-Akte einer der Nebenklägerinnen anzufordern oder als Mausers Anwalt vorschlug, live im Gericht testen zu lassen, ob Siegfried Mauser Maria Collien wirklich die Zunge bis an das Zäpfchen in den Hals habe stecken können. Als die Richterin dies reichlich empört ablehnte, musste diese Aussage tatsächlich per Gutachten geklärt werden. Das Ergebnis: Dieser Vorgang war anatomisch sehr gut möglich. Das hatte natürlich überhaupt nichts mit der Sache zu tun, erhöhte den Druck aber weiter bis ins Unerträgliche.

Der Plan geht nicht auf

Selbstverständlich ließen sich die Gerichte von solch kläglichen Versuchen nicht beeindrucken. Aber den Frauen wurde damit deutlich gemacht, dass man allen Schmutz, den man finden konnte, auch gegen sie verwenden würde. Dies hatte zur Folge, dass die Frauen während des Prozesses im Prinzip keinerlei Kontakt zur Außenwelt geschweige denn zu den Medien haben konnten, weil sie permanent Gefahr liefen, sich in Widersprüche zu verwickeln. Maria Collien berichtete uns, dass sie wochenlang nicht mit ihren Freunden sprechen konnte, weil diese teilweise selbst im Prozess aussagen wollten. Sie litt sehr unter dem Prozess und konnte Monate lang kein normales Leben führen. Die psychische Belastung führte bei ihr mitunter zu körperlichen Beschwerden wie z.B. einer Gürtelrose und Magenkoliken. Finanziell hatte sie natürlich nicht die Möglichkeiten eines Siegfried Mauser und sie wollte sich auch nicht verausgaben. Im Gespräch mit uns sagte sie sehr eindrücklich: „Er war doch der Täter! Keinen Cent wollte ich dafür bezahlen!“ Sie schaffte es tatsächlich, so gut wie nichts für Anwälte zahlen zu müssen – natürlich zu dem Preis, dass sie keinen „Star-Anwalt“ aus dem Fernsehen engagieren konnte. Schmerzensgeld oder eine sonstige Kompensation hat sie aber auch nicht erhalten. Sie könnte dafür eine Zivilklage anstreben, aber man wird verstehen können, dass sie erst einmal genug Prozesse erlebt hat. Damit dürfte das Argument, die Frauen hätten irgendwelche sinistren Motive gehabt, noch unwahrscheinlicher wirken.

Der Komponist Moritz Eggert gehörte zu den wenigen, die sich kritisch zum Fall Mauser äußerten.

Nicht so für Mauser: In der Zwischenzeit posaunten er und sein Umfeld ein Statement nach dem nächsten heraus – während die Nebenklägerinnen zur Zurückhaltung verpflichtet waren! Damit riss das „Team Mauser“ die Deutungshoheit in der Öffentlichkeit an sich. In deren Version der Geschichte war Siegfried Mauser das Opfer einer Verschwörung. Dabei bedienten sie sich einer Technik, die von vielen Verschwörungstheoretikern und Populisten benutzt wird: Sie äußerten mehrfach (sogar uns gegenüber!), jedem, der Mauser für schuldig hält, lägen nicht alle Informationen vor. Nur ein kleiner Kreis aus Familie und Freunden kenne die „Wahrheit“ hinter den Vorwürfen und die „wahren“ Motive der Frauen. Diese Behauptung lässt sich – wie bei allen guten Verschwörungstheorien – natürlich nicht direkt widerlegen. Allerdings konnte man sich schon fragen, warum diese Beweise dem Gericht nicht vorgelegt wurden, wenn sie Mauser angeblich entlasteten. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass Mausers Anwälte einen solchen Fehler begangen hätten.

Zur Verbreitung dieser Thesen baute man darauf, dass große Teile der MusikerInnen sich kaum für politische Dinge interessieren, geschweige denn öffentlich äußern würden. Sie erwarteten wohl, dass den Darstellungen Mausers wenig Gegenwind entgegenschlagen würde. Doch zumindest dieser Teil des Plans ging nicht auf, denn es gab tatsächlich einige MusikerInnen, die sich kritisch äußerten. Das waren neben dem bereits angesprochenen Moritz Eggert unter anderem auch Alexander Strauch auf dem Blog der nmz, der Pianist Igor Levit und natürlich wir auf dem Harfenduo-Blog. Und auch nicht alle Medien ließen sich für die pro-Mauser-Kampagne einspannen. Das war der Anfang vom Scheitern der Verteidigungsstrategie.

„Das soll Münchens Kulturwelt sein?“

Mit Michael Krüger äußerte sich ein weiterer (ehemaliger) Präsident der BADSK in einem Leserbrief.

Auf der juristischen Seite lief es nicht gut für Mauser. Der erste Prozess vor dem Amtsgericht wurde verloren, Mauser zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn er seinen guten Ruf in der Öffentlichkeit behalten hätte. Und wie durch Zufall gingen unmittelbar danach die Leserbriefe seiner Freunde bei der Süddeutschen Zeitung ein. Die Frauen wurden derart verunglimpft und Mauser so vehement verteidigt, dass man als LeserIn gar nicht drumherum kam, ihn für unschuldig zu halten. Es entstand der Eindruck, Mauser seien einfach spontan ein paar Freunde zur Seite gesprungen.

Dahinter steckte mutmaßlich eine gezielte Aktion. Alexander Strauch vermutete auf dem Blog der nmz, dass die Freunde zu diesen Briefen aufgefordert worden waren. Als Beleg führte er einen Facebook-Post von Amélie Sandmann-Mauser, Mausers Ehefrau, an, in dem sie einer dritten Person fehlende Hilfeleistung vorwarf. Für diese These spricht auch, dass laut Redaktion der SZ zu diesem Zeitpunkt keine Leserbriefe eingegangen waren, die das Urteil gegen Mauser begrüßten. Mausers Freunde waren also entweder äußerst schnell mit dem Verfassen der Briefe gewesen oder hatten sie schon zu einem früheren Zeitpunkt für den Fall der Fälle vorbereitet. Eine Woche später wurden dann allerdings ganz andere Leserbriefe veröffentlicht, in denen sich ganz „normale“ Leser entsetzt über die Wortwahl Borchmeyers, Krüger & Co. zeigten. Ein Leser fragte: „Das soll Münchens Kulturwelt sein?“

Maria Colliens Auftritt bringt eine neue Wendung

Siegfried Mauser wäre aus der ganzen Sache vielleicht mit einem blauen Auge davongekommen, wenn nicht Maria Collien zufällig vom Schornsheim-Prozess in der Zeitung gelesen hätte. Sie wusste sofort, dass sie als Zeugin aussagen wollte. Sie hatte ähnliche Erfahrungen mit Siegfried Mauser gemacht und wollte den anderen Frauen beistehen. Zum Prozessauftakt ging sie einfach zum Gericht. Als sie vor dem Gebäude wartete, kam auch Siegfried Mauser an. Sie berichtete uns, dass er bei ihrem Anblick blass geworden sei. Aber es waren auch Journalisten da und er hatte seine Rolle zu spielen. Also winkte er ihr freundlich zu.

Als Maria Collien ihre Aussage bei der Polizei machte, wurde schnell klar, dass ihr Fall in einem gesonderten Verfahren behandelt werden musste. Auch in diesem Verfahren kannten Mausers Anwälte keine Gnade. Teilweise fünf oder sechs Mal musste Maria Collien ein und dieselbe Frage beantworten, bis die Richterin einschritt. Stundenlang ging das so. In diesem zweiten Verfahren wurde Mauser schließlich zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Maria Collien schilderte uns eine Szene aus dem Prozess, die sich schwer mit dem Bild des gutmütigen Künstlers, was Mauser selbst von sich zeichnete, in Einklang bringen lässt. Nach den Plädoyers bat er darum, Maria Collien noch eine Frage stellen zu dürfen: „Du erzählst hier, ich hätte dein Leben ruiniert. Aber von den 800 € für den Lehrauftrag, da kann man doch gar nicht von leben!“ Für diesen Lehrauftrag hatte sie sich an der HMT München beworben, als er sie auf das Sofa in seinem Büro drückte.

Ehrungen für einen Sexualstraftäter

Die Münchner Residenz ist Sitz der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Im Hintergrund arbeiteten derweil ein paar besonders treue Freunde an der Rehabilitation Mausers, indem sie munter Konzerte mit ihm planten. Ebenso wurde besagte Festschrift vorbereitet. Die Aussagen, wann sie genau geschrieben wurde, gehen auseinander. Da aber das Urteil im Schornsheim-Prozess schon im Herbst 2018 rechtskräftig wurde, erscheint es unwahrscheinlich, dass es innerhalb eines Jahres nicht möglich gewesen sein soll, Teile davon noch zu ändern oder wenigstens die Veröffentlichung zu verschieben. Die Festschrift wurde unserer Meinung nach benutzt, um die Zweifel an der Schuld Mausers aufrecht zu erhalten.

Doch die Aufgabe, Mauser trotz rechtskräftiger Urteile für unschuldig zu erklären, wurde immer schwieriger. Schon nach dem Urteil im Schornsheim-Prozess war die HMT München „eingeknickt“, hatte sich von ihrem ehemaligen Präsidenten distanziert und bei seinen Opfern entschuldigt. Und nachdem der BGH auch das Urteil im Collien-Prozess bestätigt hatte, sprangen weitere „Freunde“ ab. Erste Mitglieder der Akademie der Schönen Künste forderten den Ausschluss Mausers, die Festschrift und besonders deren Vorwort und der Veröffentlichungszeitpunkt wurden von zahlreichen Medien kritisiert. Der Kommentar „Entlarvendes Lehrstück“ von Kia Vahland war mehrere Tage lang auf der Startseite der Süddeutschen Zeitung zu sehen. Als sich dann die ersten Autoren der Festschrift distanzierten, war die letzte Bastion gefallen. Die Akademie veröffentlichte eine Erklärung, dass die Festschrift ausschließlich die Meinung der einzelnen Personen darstelle und dass sie den Opfern Mausers ihr Bedauern ausspreche. Deren Aussagen – auch die Leserbriefe in der SZ – seien privat geäußert worden. Wie das im Einklang mit den Unterschriften unter den Leserbriefen stand, wurde nicht erklärt.* Nichtsdestotrotz: Man kann nur hoffen, dass die Betroffenen nun endlich die Anerkennung erhalten, die sie verdienen und ihren Frieden finden. Wir würden es ihnen sehr wünschen!


*) Nachtrag vom 11.12.2019:
In der ursprünglichen Version dieses Beitrags hatten wir geschrieben:
„Dieser Schritt kam allerdings wohl nicht ganz freiwillig: Der Journalist Jan-Philipp Möller twitterte Mitte November 2019, die Akademie sei dazu vom Staatsministerium aufgefordert worden.“
Die BAdSK hat uns daraufhin über ihren Pressesprecher kontaktiert und gebeten klarzustellen, dass ihre öffentliche Erklärung nicht auf Druck des Ministeriums geschah. Das Ministerium hat mittlerweile bestätigt, dass es keine Aufforderung gab. In einer schriftlichen Mitteilung der Leitung der Akademie an alle Mitglieder vom 19.11.2019, die uns vorliegt, heißt es aber:
„Die Leitung der Akademie wurde am 11. November 2019 aufgrund einer Landtagsanfrage der Opposition an unser Ministerium von diesem aufgefordert, zur (Festschrift-)Causa Mauser öffentlich Stellung zu nehmen. Die Anfrage thematisierte zudem einen bereits entstandenen Image-Schaden der Akademie. Deshalb bitte ich für diese Vorgehensweise der Akademieleitung um Verständnis. Den Wortlaut der Erklärung finden Sie unter diesem Link: https://www.badsk.de/presse/mitteilungen/stellungnahme-der-leitung-der-bayerischen-akademie-der-schönen-künste.
Sicher ist der eine oder andere Satz nicht im Sinne aller Mitglieder, aber die Direktoren und auch der Präsident halten diese Formulierungen für alternativlos.“
Diese Mitteilung war die Grundlage für unsere ursprüngliche Aussage. Wir bedauern, dass es dadurch zu Unklarheiten auf unserem Blog kam, möchten aber auch betonen, dass uns zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unseres Blogbeitrags keine Informationen vorlagen, die nahelegten, dass es keine Aufforderung des Ministeriums gegeben hatte. Den nun offensichtlichen Widerspruch der beiden Aussagen können wir nicht erklären. Auch warum innerhalb der Akademie um Verständnis für die Stellungnahme geworben werden musste, erschließt sich uns nicht. Hier ist unserer Meinung nach die Akademie gefragt, Aufklärung zu leisten.


Was bleibt vom Mythos Mauser?

Ein Kernaspekt der pro-Mauser-Kampagne war, ihn als harmlosen Menschen darzustellen, der nur für die Kunst lebt. Doch dieser Mythos hält unserer Meinung nach einer näheren Betrachtung nicht stand. Denn mittlerweile mehren sich die Stimmen, dass Siegfried Mauser vielleicht doch nicht so ein Unschuldslamm gewesen ist, wie er behauptet. Dieter Borchmeyer gab beispielsweise im Interview des BR auf die Frage nach der Bedeutung des Wortes „bienséance“ (wörtl.: „Anstand“) an: „In der Hinsicht hatten wir, wenn ich ganz ehrlich bin, mit Siegfried Mauser immer gewisse Probleme.“ (Das wollte er allerdings nicht als Distanzierung von Mauser verstanden wissen. Er widersprach im gleichen Interview auch der Aussage, dass Mauser Lebensleistung von den Schuldsprüchen beeinflusst würde – auch wenn er damals in seinem Leserbrief etwas ganz anderes geschrieben hatte!) Der frühere Leiter der Weidener Max-Reger-Tage Kurt Seibert bestätigt bei onetz.de: „Der Mauser war die Spinne im Netz, er war überall drin. Und jeder wusste, dass er ein Schlawiner ist.“ Sowohl die Ausdrücke „gewisse Probleme“ wie auch „Schlawiner“ lassen natürlich Interpretationsspielraum. Im Gespräch mit Maria Collien bekamen auch wir den Eindruck, dass die Vorwürfe gegen Mauser für manche wohl nicht so überraschend kamen wie zunächst behauptet.

Aber unabhängig von seinen sexuellen Eskapaden bleibt sein Verhalten während der Prozesse für uns unentschuldbar. Genau solche Verteidigungsstrategien führen dazu, dass Opfer von Gewalt sich scheuen, den Täter anzuzeigen – aus Angst vor einem Gerichtsprozess, wie sie die Opfer von Siegfried Mauser erleben mussten. Viele seiner Freunde kritisieren, man wolle Mauser vernichten und ihn aus der Gesellschaft ausschließen. Das ist natürlich Unsinn. Bei glaubwürdiger Reue wäre nicht nur für uns eine Rückkehr in manche Funktionen und Ämter denkbar gewesen. Doch diese Reue hat er leider nicht gezeigt. Er hat sich auf ein riskantes Alles-oder-Nichts-Spiel eingelassen, als er diese Verteidigungsstrategie wählte. Da wirkt es für uns mehr als zynisch, wenn er sich darüber beklagte, wie schlecht es ihm während der Prozesse ging und dass er pleite sei. Geld für einen Star-Anwalt hatte er offenbar schon noch; das Leid der Opfer war um ein vielfaches höher, auch wenn sie darüber nicht so in der Öffentlichkeit jammern konnten. Nun wird er sich damit auseinandersetzen müssen, dass am Ende das „Nichts“ steht und er auf dem Weg dorthin noch viele Freunde und Familienmitglieder mit in den Abgrund gerissen hat.

Die Zeichen der Zeit nicht erkannt

Mausers Verteidigungsstrategie hatte zwei entscheidende Schwachpunkte (abgesehen davon, dass er die ihm vorgeworfenen Taten begangen hatte): Erstens nahm er irrtümlich an, er könne über seine Freunde die öffentliche Meinung bestimmen; zweitens hatten er und sein Anwalt wohl nicht mitbekommen, dass die Gesellschaft sich in den letzten Jahren verändert hat. Vor zehn Jahren wäre er mit seinen Taten vielleicht noch davongekommen, doch mittlerweile sind Gerichte sensibilisiert für solche Fälle. Auch eine einzige Zeugenaussage kann als Beweis gewertet werden, wenn das Gericht sie für glaubwürdig hält. Die Behauptung, es habe keine Beweise gegen Mauser gegeben, ist also nicht korrekt. Wird ein mutmaßliches Opfer vor Gericht derart in die Mangel genommen und zeigt sich ein Beschuldigter derart uneinsichtig, macht das hingegen keinen guten Eindruck. Seine Anwälte und im Übrigen auch alle seine Freunde, die sich öffentlich geäußert haben, haben ihm damit einen Bärendienst erwiesen. Das Leid, das er den Opfern durch seine Verteidigungsstrategie noch zusätzlich zugefügt hat, sollte man ihm nicht so einfach verzeihen. Von einem „großen Künstler und Menschen“ darf man anderes erwarten. Dieses Beharren auf veraltete Strukturen, dieses Klammern an Macht und diese überkommene Vorstellung des „Künstlergenies“ sagt viel über die Kreise aus, in denen sich Mauser bewegt.

Auch auf die Verfassungsbeschwerde sollte man nicht all zu große Hoffnungen setzen. Statistisch gesehen sind nur 1 bis 2 % solcher Klagen erfolgreich und wir können uns ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, auf welcher Begründung sie fußen sollte. Dieser Schritt dürfte nur eine weitere Verzögerungstaktik sein, um den treuesten der treuen Freunde die Gelegenheit zu geben, sich weiter für ihn stark zu machen. Doch ob diese Strategie weiter verfolgt werden wird, wo sich nahezu täglich Leute von ihm oder seinen Befürwortern distanzieren, bleibt abzuwarten.

Was ist denn nun wirklich passiert?

Die Musikhochschule München: In diesen Räumlichkeiten passierten die Übergriffe Mausers.

Bleibt zum Schluss eigentlich nur noch eine Frage: Was ist denn nun wirklich passiert, damals im Präsidentenbüro? Kann man das überhaupt sagen? Von allen Fragen, denen wir in diesem Artikel nachgegangen sind, ist diese nun wirklich am einfachsten zu beantworten: Ja, man kann! Die Gerichte haben die Ereignisse zweifelsfrei festgestellt. Die genauen Abläufe stehen in den Gerichtsakten und sind teilweise in den Zeitungen zu lesen. Maria Collien hat uns persönlich noch einmal die ganze Geschichte erzählt, mit allen unappetitlichen Details. Wenn jemand geistig zurechnungsfähig ist, dann diese Frau. Wir würden ihre Geschichte gerne veröffentlichen und werden das auch tun, sobald es möglich ist. Nach ihrer Erzählung gibt es bei uns überhaupt keine Zweifel mehr: Siegfried Mauser hat Frauen bedrängt, begrapscht und sexuell genötigt. Dabei ging er plump und gewaltsam vor. Über den Willen der Frauen setzte er sich dabei hinweg. Die Situationen waren keine „Interpretationssache“ und haben sich auch nicht im „Graubereich“ zwischen Erlaubtem und Verbotenem abgespielt. Wer weiterhin von „bloßem Grapschen“ spricht, verharmlost unserer Meinung nach seine Taten und verhöhnt die Opfer. Für eine Verschwörung oder einen Rachefeldzug konnten die Verteidiger keine stichhaltigen Beweise vorlegen. Amélie Sandmann-Mauser wurde wegen Verleumdung verurteilt; es wurde ihr gerichtlich untersagt, diese These weiter zu verbreiten. So, wie Mauser die Ereignisse geschildert hat, sind sie nicht passiert. So wie die Opfer die Situationen geschildert haben, sind sie passiert. Mauser und seinen „Freunden“ sollte man kein Gehör mehr schenken. Wer wissen will, was für ein Mensch Mauser (auch) ist, sollte seinen Opfern zuhören.

Laura & Daniel

Bildquellen:
„Siegfried Mauser (2014)“: Quelle, Autor: Sigi Mauser, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
„Hans Magnus Enzensberger”: Quelle, Autor: Felix König, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“
„Dieter Borchmeyer“: Quelle, Autor: Amrei-Marie, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
„Gebäude des Bundesgerichtshof“: Quelle, Autor: TSteg, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“
„Moritz Eggert“: Quelle, Autor: Susanne Diesner, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
„Michael Krüger“: Quelle, Autor: Henning Schlottmann (User:H-stt), Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
„Münchner Residenz, Sitz der BADSK“: Quelle, Autor: Wikiolo, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
„Musikhochschule München“: Quelle, Autor: Maximilian Dörrbecker (Chumwa), Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“

11 Comments

  1. Uta sagt:

    Ein sehr wichtiger Artikel, vielen Dank!
    Es zeigt deutlich, wie sehr es in diesem Bereich möglich ist, die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen, so dass auch neutrale und wohlmeinende Leser einen falschen, verharmlosenden Eindruck von Mausers – oder eines anderen Beschuldigten -Taten bekommen. Leider scheint es nötig zu sein, sehr unappetitliche Details öffentlich zu schildern, was im Interesse der Geschädigten eigentlich unterlassen werden sollte.

    • Laura & Daniel sagt:

      Danke, Uta, für diesen Kommentar! Eigentlich sollte man tatsächlich die “unappettitlichen Details” ruhen lassen. Doch manchmal ist das leider wirklich nötig, damit die Öffentlichkeit sich ein Bild von der Schwere der Taten machen kann.

      Viele Grüße
      Laura & Daniel

  2. Roland Ropers sagt:

    Man lese meine AMAZON-Rezension vom 23. November zu der Festschrift.
    Roland Ropers
    Kultur- und Sprachphilosoph

    Link zur Rezension

    • Laura & Daniel sagt:

      Sehr geehrter Herr Ropers,

      vielen Dank für die differenzierte Analyse der Festschrift in Ihrer Rezension. Besonders gut gefällt uns, dass Sie von herausragenden Persönlichkeiten “in ihrer Vorbildfunktion eine persönliche Verantwortung” erwarten. Dieser Verantwortung war sich Siegfried Mauser nicht bewusst.

      Herzliche Grüße
      Laura Oetzel & Daniel Mattelé

  3. Ulla sagt:

    „Sein bisweilen die Grenzen der bienséance überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt.“
    Ich finde diesen Satz geradezu Übelkeit erregend! Der arme Herr Mauser ist eben einfach Opfer (sic!) seiner Triebe geworden und die Welt hat’ s nicht verstanden, wie bedauerlich. Und Frauen als “tückische Tellerminen” zu bezeichnen (vielleicht noch mit einem charmanten Augenzwinkern geäußert) ist allenfalls ein schlechter Witz für den Herrenabend.
    Hier zeigt sich eine Geisteshaltung, die erschreckender nicht sein könnte. Man hat den Eindruck sich auf einer chauvinistischen Reise in die Vergangenheit zu befinden: Wie schön war es doch, den Frauen die Keule überzuziehen, sie am Schopf zu packen und am Lagefeuer zu begatten, damals im Neandertal……

    • Constanze sagt:

      Alle Personen, die diesen Fall in der Presse verfolgen, waren nicht dabei. Wer spricht hier die Wahrheit und wer nicht? Selten habe ich einen Fall in den Medien und anderenorts verfolgt, der mich so zerrissen hat. Niemals würde ich Gewalttaten oder sexualisierte Gewalt oder sexuelle Belästigung gut heißen. Ich habe aber auch oft genug erlebt, dass Frauen ihre sexuellen Reize für den beruflichen Weg nach oben entsprechend eingesetzt haben.

      Wenn Jemand bis zuletzt schwört, dass er unschuldig ist (und in Anbetracht dessen, dass sich ein Geständnis und/oder eine Entschuldigung strafmildernd auswirken würde – und ich habe keine juristischen Kenntnisse), kommt bei mir das Gefühl hoch, dass hier etwas nicht stimmt.
      Dann kommt hinzu, dass die Ehefrau von Herrn Mauser so stark für ihn kämpft. Welche Frau würde das bitte machen? Die Darstellungen auf der Homepage von Frau Sandmann sind bezeichnend.

      Sollten die Ereignisse, wie dargestellt, stattgefunden haben, haben die Frauen mein tiefstes Mitgefühl. Niemals wäre so etwas auch nur ansatzweise in Ordnung und jede Strafe wäre dem Täter gegenüber nur fair.

      Aber der gesamte Kontext lässt mich sehr zweifeln. Ich habe überhaupt kein Gefühl dafür, wer hier die Wahrheit spricht. Beides ist möglich.

      • Daniel sagt:

        Es ist natürlich immer gut, Dinge zu hinterfragen. Das tun wir auch, besonders in diesem Fall. Deshalb haben wir sehr gründlich recherchiert und sogar mit den Opfern gesprochen. Wir glauben, dass wir in diesem Artikel sehr schlüssig dargelegt haben, warum Zweifel jetzt, nach mehreren Gerichtsurteilen, nicht mehr angebracht sind.

        • Constanze sagt:

          Ich habe mit Keinem gesprochen. Mein Kommentar bzw. mein Gefühl kommt allein aus der äußeren Wahrnehmung.

          Niemals sollte Jemand unschuldig ins Gefängnis gehen oder schuldig dem Gefängnis entkommen.

  4. Lorenzo sagt:

    Wie gut, dass in Deutschland Gerichte die Urteile nach Gesetz, Beweisaufnahme und öffentlicher Verhandlung sprechen und nicht Laien nach (“gesundem”) Volksempfinden und nach Gefühl…

  5. […] sowohl die Taten selbst, als auch seine mediale Selbstdarstellung, wie wir in unserem Blogbeitrag ‚Ein netter älterer Herr‘ ausführlich nachgezeichnet haben.“ […]

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