Analyse der Aushilfenampel – Honorare jenseits aller Untergrenzen

Kürzlich habe ich schon einmal einen Beitrag über die Aushilfenampel geschrieben. Darin habe ich mich über das generell schlechte Abschneiden der Orchester und Chöre bei der Bezahlung der freien Musiker*innen aufgeregt und beispielhaft ein Orchester, bei dem ich selbst oft gespielt habe, herausgepickt. Ein paar Tage, nachdem der Artikel online war, ist mir plötzlich eine kleine Ungenauigkeit bei einer Formulierung von unisono bezüglich der Vergabe der grünen Wertung aufgefallen. Da wurde mir klar, dass sich jemand (also ich…) die Zahlen mal genauer anschauen sollte. Also habe ich eine Excel-Tabelle angelegt und alle Werte, die unisono auf ihrer Homepage angibt, verglichen. Die Ergebnisse möchte ich nun hier präsentieren. Das war ziemlich viel Arbeit, dementsprechend ist der Text auch etwas länger. Um es nicht zu kompliziert zu machen, ist hier ein Überblick, welche Punkte besonders negativ herausstechen:

  • Grüne Wertung: Obwohl laut unisono acht Klangkörper eine grüne Wertung erhalten, sind es tatsächlich nur zwei, die mindestens die empfohlenen Sätze zahlen.
  • Tatsächliches Honorar: Die Ampelfarbe sagt wenig darüber aus, wie viel Geld man tatsächlich verdient.
  • Methodik: Die Methodik, nach der unisono die Ampelfarbe vergibt, ist unklar und inkonsequent.
  • Probensätze: Kein einziger Klangkörper in Deutschland zahlt den Probensatz der höchsten Kategorie, obwohl die Mehrheit der Klangkörper in diese Kategorie fällt.
  • Bundesländer: Ob man seinen Lebensunterhalt von Aushilfshonoraren bestreiten kann, hängt weniger vom Renommee des Klangkörpers ab, sondern eher vom Bundesland.
  • Ausreißer: Es gibt tatsächlich Klangkörper, die weniger als 50% der ohnehin schon niedrigen unisono-Empfehlungen zahlen.
  • Alternative Empfehlungen: Würde man die Empfehlungen des Deutschen Musikrats für 2025 als Richtwert nehmen, erhielten alle Klangkörper eine rote Wertung. Unisono hat diese Empfehlungen mit ausgearbeitet.

Damit ist zwar eigentlich alles gesagt, ich würde mich aber trotzdem über jede*n freuen, der/die weiterliest. Ich halte mich auch mit Diagrammen und Tabellen zurück. Versprochen 😉 !

Obwohl laut unisono acht Klangkörper eine grüne Wertung erhalten, sind es tatsächlich nur zwei, die mindestens die empfohlenen Sätze zahlen.

Im Einleitungssatz zur Aushilfenampel schreibt unisono: „Eine grüne Kennzeichnung bedeutet, dass das Honorar den aktuellen unisono-Empfehlungen entspricht.“ Wie vermutlich die meisten, die das lesen, habe auch ich gedacht, dass „grüne“ Orchester also mindestens die ihrer Kategorie entsprechenden Sätze zahlen. Doch das ist falsch: Orchestern und Chören wird eine Toleranz von bis zu 10% bei der grünen Wertung eingeräumt! Das bedeutet: Ein C-Orchester müsste laut unisono beispielsweise 115 € für eine Probe und 165 € für eine Aufführung zahlen. Die grüne Wertung erhielte es aber schon bei Sätzen von 103,50 € und 148,50 €. Das mag einem nun etwas kleinkariert vorkommen, aber die unisono-Sätze stellen ausdrücklich eine Untergrenze dar. Ein Unterschreiten dieser Untergrenze sollte daher nicht mit einer grünen Wertung belohnt werden. Oder anders ausgedrückt: Mit dieser Logik dürfte ein Arbeitgeber, der einen Stundenlohn von 11,17 € zahlt, behaupten, er würde den gesetzlichen Mindestlohn von 12,41 € zahlen. Außerdem drängt sich hier eine Frage förmlich auf: Angenommen, ein Orchester würde sich darum bemühen, eine grüne Wertung zu bekommen. Welche Motivation hätte es, die vollen Sätze zu zahlen, wenn auch 90 % reichen?

Warum diese Toleranz gegenüber Klangkörpern gezeigt wird, erschließt sich mir nicht. Ich habe bei unisono nachgefragt, die Antwort steht noch aus. Meiner Meinung nach entwertet unisono so ihre eigenen Honorarempfehlungen. An dem ohnehin schon desolaten Gesamtbild ändert dieser statistische Trick wenig. Unisono würde vermutlich auch jegliche Täuschungsabsicht von sich weisen, denn in der Erklärung zur gelben Wertung schreiben sie: „Die gelbe Kennzeichnung steht für Honorare, die zwischen 10 – 30% unter den unisono-Empfehlungen liegen.“ Hier werden die 10% also erwähnt, allerdings so versteckt, dass ich einige Tage gebraucht habe, die Sache zu durchschauen. Dass unisono bei der Vergabe einer einzigen Kennzeichnung pro Klangkörper auch mal Kompromisse machen muss, kann ich nachvollziehen (siehe Punkt „Methodik“). Eine Toleranz von 10% ist aber zu viel und führt Aushilfen wie Leser*innen in die Irre.

Am Ende dieses Textes habe ich noch einige Diagramme und Statistiken angefügt (siehe Punkt „Zusätzliche Diagramme und Tabellen“). Darunter ist auch eine „bereinigte“ Aushilfenampel, aus der ich diesen Trick entfernt habe, sodass wirklich nur noch die Klangkörper eine grüne Wertung erhalten, die mindestens die unisono-Empfehlungen zahlen.

Die Ampelfarbe sagt wenig darüber aus, wie viel Geld man tatsächlich verdient.

Nun sollte man trotz der 90%-Trickserei denken, dass ein Klangkörper, der eine grüne Wertung erhält, auch besonders viel zahlt. Aber auch dieser Schluss ist falsch. Ein C-Orchester, welches 150 € für eine Aufführung zahlt, erhielte eine grüne Wertung. Ein Orchester aus der A-Kategorie mit dem identischen Satz würde dagegen eine rote Wertung erhalten. Sogar bei einem Satz von 165 € – also 15 € mehr! – wäre das A-Orchester noch im roten Bereich. Man kann sowieso über den Sinn dieser verschiedenen Sätze für verschiedene Kategorien streiten, aber diese Diskrepanz ist einfach zu groß. Für mich als Aushilfe ist es jedenfalls relativ egal, wo ich spiele. Ich werde meinen Vermieter wohl eher nicht damit vertrösten können, dass mein Auftraggeber leider nicht verpflichtet ist, mich anständig zu bezahlen.

Es würde deutlich mehr Sinn ergeben, wenn man die Untergrenze klar danach definiert, was für die Musiker*innen gemessen an Zeitaufwand, Vorbereitungszeit und Ausbildung angemessen ist. So handhaben es übrigens auch andere Verbände, die Honorarempfehlungen herausgeben (siehe Punkt Alternative Empfehlungen). Alle Klangkörper, die darunter liegen, würden eine rote Wertung erhalten – weil sie nun einmal nicht genug zahlen, als dass man davon leben könnte! Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sie 30%, 10%, oder nur ein halbes Prozent darunter liegen. Ich bin auch kein Freund der Definition der gelben Wertung. Gelb heißt für mich persönlich „ist irgendwie okay, aber nicht toll”. Das passt für mich nicht zu Klangkörpern, die lediglich 70% von ohnehin niedrigen Sätzen zahlen. Ich fände es besser, wenn man die gelbe Wertung ab 100% der Sätze erhält und die grüne erst, wenn man wirklich gut zahlt (z.B. ab 120% oder einem festen Betrag).

Ein Punkt, der in diesen Sätzen nicht berücksichtigt ist, sind die Fahrtkosten. Die werden von den Orchestern nach meiner persönlichen Erfahrung sehr unterschiedlich gehandhabt. Unisono schreibt: „Fahrtkosten sind nach dem Reisekostengesetz des Sitzbundeslandes zu erstatten (mind. 25 Cent/km ab dem ersten Kilometer bzw. DB-Ticket 2. Klasse).“ Und hier gehen wieder die Diskussionen los! Sind bei Cent/km Hin- und Rückfahrt oder die Entfernung gemeint? Bekomme ich Geld raus, wenn ich eine Bahncard besitze? Bin ich verpflichtet, die (für das Orchester) günstigste Zugverbindung zu nehmen, selbst wenn ich dafür um vier Uhr morgens am Bahnhof sein muss? Ich habe alle Varianten schon selbst erlebt. Auch bei Reisediensten und Spesen sparen viele Orchester. Ich habe schon mehrtägige Reisen ins Ausland mitgemacht, bei denen keine Spesen gezahlt wurden, keine Verpflegung bereitgestellt wurde und man als Kompensation einen einzigen mickrigen Reisedienst vergütet bekommen hat. Auch so kann aus einer grünen Wertung unterm Strich schnell eine rote werden!

Die Methodik, nach der unisono die Ampelfarbe vergibt, ist unklar und inkonsequent.

Kann man sich denn wenigstens darauf verlassen, dass beispielsweise eine gelbe Wertung bedeutet, dass ich am Ende des Projekts zwischen 70% und 90% der unisono-Empfehlungen als Honorar erhalte? Man ahnt es schon: Leider kann auch diese Frage nicht so einfach mit Ja beantwortet werden. Denn unisono steht bei der Aushilfenampel vor einem ganz grundsätzlichen Problem: Obwohl mit Proben- und Aufführungssätzen zwei Werte abgefragt werden, soll am Ende eine einzige Ampelfarbe herauskommen. Nun gibt es aber aktuell 55 Klangkörper, bei denen die Werte von Probenhonorar und Aufführungshonorar gemäß der unisono-Rechnung in unterschiedlichen Ampelfarben resultieren würden. Auf ihrer Homepage gibt unisono leider keine Hinweise dazu, mit welcher Methodik man hier gearbeitet hat. Ich habe also eine Skizze erstellt, anhand derer ich dies herausfinden wollte. Hier ist sie:

Wer nun verwirrt ist, ist nicht alleine. Auch ich habe nicht verstanden, wo hier das System sein soll. Um etwas Klarheit zu schaffen, nehmen wir zunächst drei Sonderfälle aus der Tabelle heraus.

  1. Chemnitz – Robert-Schumann-Philharmonie
    Dieses Orchester erhält eine gelbe Wertung, obwohl sowohl Probensatz als auch der Durchschnittswert aus beiden Werten im roten Bereich liegt. Andere Klangkörper mit dieser Konstellation erhalten alle eine rote Wertung. Möglicherweise handelt es sich um einen Rundungsfehler, da die Werte sehr nah am Schwellenwert von 70% liegen.
  2. Dessau – Anhaltische Philharmonie Dessau
    Dieses Orchester erhält eine rote Wertung, obwohl alle Werte im gelben Bereich liegen. Es ist nicht ersichtlich, wie die rote Wertung zustande kommt; wahrscheinlich handelt es sich nur um einen Flüchtigkeitsfehler.
  3. Berlin – RIAS Kammerchor
    Dieser Chor kann eigentlich keine aussagekräftige Gesamtwertung bekommen, da die Probensätze (Rot) und Aufführungssätze (Grün) zu stark auseinandergehen. Unisono hat – vermutlich als Kompromiss – eine gelbe Wertung erteilt. Je nach Projekt kann das Honorar bei diesem Chor aber sowohl im roten als auch im gelben oder grünen Bereich liegen.

Ich habe unisono auf diese Fälle hingewiesen. Die Erklärung steht wie gesagt noch aus. Aber auch ohne diese Sonderfälle wird nicht einheitlich verfahren. Manche Klangkörper erhalten die Farbe der niedrigeren Wertung, manche die Farbe der Durchschnittswerte. Bei den Gelb-Grünen Klangkörpern scheint konsequent die erste Methode angewandt worden zu sein, bei den Gelb-Roten ist es durchmischt. Hier sollte unisono unbedingt noch einmal nachrechnen (oder in meine Tabelle schauen…). Es würde auch helfen, wenn die Methodik transparent auf der Homepage erklärt würde. Ich habe unisono nach der Methodik gefragt und bin sehr gespannt, ob es eine Erklärung gibt, die ich übersehen habe.

Aber selbst wenn diese Unklarheiten ausgeräumt würden, bliebe das Dilemma der unterschiedlichen Einzelwertungen bestehen. Allgemein ist es so, dass die Probensätze auch prozentual niedriger sind als die Aufführungssätze. Für probenintensive Projekte bedeutet dies, dass man mit dem Gesamthonorar in eine niedrigere Kategorie rutschen kann, wenn es blöd läuft. Ich habe anhand von drei halbwegs realistischen Beispielprojekten verglichen, wie die Verteilung in diesen Fällen aussehen würde. Man sieht, dass das Verhältnis von Proben zu Aufführungen einen großen Einfluss auf die Wertung hat. Es wäre also vielleicht sinnvoller, zwei Einzelwertungen zu vergeben, damit jede*r selbst sehen kann, ob sich ein bestimmtes Projekt lohnt oder nicht.

Kein einziger Klangkörper in Deutschland zahlt den Probensatz der höchsten Kategorie, obwohl die Mehrheit der Klangkörper in diese Kategorie fällt.

Wer an deutsche Orchester denkt, dem fallen sicherlich sofort geschichtsträchtige Klangkörper wie die Berliner Philharmoniker, das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder das Gewandhausorchester Leipzig ein. Große Namen, großes Renommee, große Budgets. Wenigstens die A-Häuser müssten doch ihre Aushilfen gut bezahlen, oder? Es ist so bitter: Nein, tun sie nicht. Man könnte sogar sagen, dass die Staffelung nach Kategorie, die unisono in ihren Honorar-Empfehlungen vornimmt, in der Realität kaum abgebildet wird. Von den 55 Klangkörpern, die von unisono in die höchste Kategorie eingestuft werden, erreichen nur zwei eine grüne Wertung – die mit Abstand schlechteste Quote aller Kategorien.

Generell schneiden die A-Klangkörper im Vergleich schlecht ab. Der niedrigste Probensatz liegt in allen Kategorien bei 60 €. Das ist etwas mehr als die Hälfte der C-Empfehlung, was an sich schon eine Frechheit ist. In der A-Kategorie bedeutet dieser Satz aber nur noch 37,5% der unisono-Empfehlungen und damit logischerweise den letzten Platz in dieser Statistik. Für alle, die sich nicht vorstellen können, was das bedeutet: Das ist so, wie wenn ein Arbeitgeber den Mindestlohn zahlen müsste, in echt aber nur 4,65 € pro Stunde zahlt! Es handelt sich auch nicht nur um einen Ausreißer nach unten: Der A-Klangkörper mit dem höchsten Probensatz zahlt nur 93,75% der Empfehlungen – auch das ist der schlechteste Wert in dieser Statistik. Im Mittel relativieren sich die Zahlen etwas, aber auch hier liegen die A-Klangkörper nur auf dem zweiten Platz hinter der Kategorie B.

Man muss sich klar machen, dass geringe Abweichungen bei den Prozentwerten bei den tatsächlichen Honoraren große Unterschiede machen können. Für eine Probe plus Aufführung bekomme ich bei einem A-Klangkörper zwar meistens mehr, die Differenz zu den empfohlenen Sätzen ist allerdings auch größer. In der A-Kategorie bekomme ich im Schnitt 95 € „zu wenig“, in der Kategorie C sind es nur 65 €. Generell muss man aber sagen, dass diese Zahlen wenig Aussagekraft haben, solange es diese große Streuung bei den Werten gibt. Ich spiele als Aushilfe ja nicht bei allen Klangkörpern deutschlandweit, sondern in der Regel regional begrenzt. Wenn ich das Pech habe, eine Region zu erwischen, in der nur 60 € pro Probe gezahlt wird, kann es mir herzlich egal sein, ob es ein A-, B-, C,- oder Y-Orchester ist. Und das führt uns direkt zum nächsten Punkt:

Ob man seinen Lebensunterhalt von Aushilfshonoraren bestreiten kann, hängt weniger vom Renommee des Klangkörpers ab, sondern eher vom Bundesland.

Angenommen, ich wäre eine junge Musikerin, hätte gerade mein Studium abgeschlossen und wollte nun mit meiner Karriere als freie Orchestermusikerin so richtig durchstarten. Welchen Tipp sollte ich da beherzigen? Mein erster Gedanke: Lass es sein! Aber Spaß (bzw. bitterer Ernst) bei Seite: Die beste Empfehlung, die man in so einer Situation geben könnte, wäre, nach NRW zu ziehen. Dort zahlen die Klangkörper im Schnitt 315,69 € für eine Probe plus eine Aufführung. Das ist deutschlandweit der zweitbeste Wert, der nur vom Saarland übertroffen wird. Dort wurde allerdings nur ein Orchester gewertet, was die Karrierechancen wieder mindern dürfte.

Eher nicht so klug wäre es, nach Mecklenburg-Vorpommern zu ziehen. Dort erhalten alle vier Orchester eine rote Wertung. Jetzt könnte man einwenden, dass niemand, der noch ganz richtig im Kopf ist, alleine von Orchesteraushilfen leben können wollte. Die meisten Musiker*innen verdienen ihren Lebensunterhalt sowieso mit verschiedenen Tätigkeiten, zum Beispiel durch Unterricht, stimmt’s? In der Realität ist das sicher so – aber nicht, wenn es nach der Musikhochschule Rostock geht, der einzigen in MV. Dort kann man erst ab dem Wintersemester 2024/25 überhaupt IP (Instrumentalpädagogik) studieren, und das auch nur in den Fächern Klavier und Gitarre. Alle Orchesterinstrumente kann man nach wie vor nur künstlerisch studieren, also mit dem Berufsziel Orchestermusiker*in oder Solist*in. Für die Musikschulen des Bundeslandes bleiben nur die Solist*innen, die irgendwie autodidaktisch zufällig begnadete Pädagog*innen sind, und die Schulmusiker*innen, die sich nach der ersten großen Pause im Referendariat doch dazu umentschieden haben, an die Musikschule zu wechseln. Alle anderen werden in den Kampf um die wenigen festen Orchesterstellen geworfen. Wer dort nichts abbekommt, landet auf dem Aushilfenmarkt. Na dann viel Erfolg!

Im Vergleich zu Thüringen sind die Verhältnisse in MV noch fast paradiesisch. Von den neun Orchestern erreicht zwar immerhin das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera eine gelbe Wertung, alle anderen sind aber rot. In fast allen im Text genannten Kategorien landet Thüringen im Ländervergleich auf dem letzten Platz. Besonders schlimm ist der Vergleich in meinem Rechenbeispiel „Konzerteinspringer“ (eine Probe plus eine Aufführung). Für diese Konstellation bekommt man im Bundesdurchschnitt ca. 270 €, in Thüringen nur 186,88 €. Das sind lediglich 60% der unisono-Empfehlungen, während es im Bundesdurchschnitt 76% sind. Das einzige A-Orchester in Thüringen – die Staatskapelle Weimar – ist in der Wertung nicht enthalten. Doch man sollte nicht zu viele Hoffnungen darauf setzen, dass Weimar die Statistik noch rausreißt. 2018 wurden dort laut Thüringer Allgemeine noch 120 € bis 150 € für eine Aufführung gezahlt. Mit den 120 € läge Weimar bei 50% der aktuellen unisono-Empfehlungen, was deutschlandweit den vorletzten Platz bedeuten würde. Die Annahme, dass Weimar auch heute noch so zahlt, ist nicht so weit her geholt, wie man vielleicht denkt. Die anderen Orchester, die damals gefragt wurden, zahlen heute größtenteils das gleiche.

Die anderen Thüringer Orchester belegen in der Wertung „% der unisono-Empfehlungen für eine Probe plus eine Aufführung“ übrigens die Plätze 121, 119, 118, 117, 107, 106, 97 und 60 (von 122 Klangkörpern). Viele der Orchester schneiden auch deshalb so schlecht ab, weil sie zwar Sätze wie ein knauseriges C-Orchester zahlen, tatsächlich aber in die Kategorie B fallen. Dies ist in Erfurt, Gotha/Eisenach, Nordhausen/Sondershausen, Jena und Meiningen der Fall. Erfurt und Jena fallen sogar in die Kategorie B mit Fußnote, was bedeutet, dass sie noch etwas besser gestellt sind als ein B-Orchester. Gerade in Erfurt sollte man vielleicht nochmal nachrechnen, wie viel negative PR man sich eigentlich noch leisten kann.

Es gibt tatsächlich Klangkörper, die weniger als 50% der ohnehin schon niedrigen unisono-Empfehlungen zahlen.

Fangen wir diesen Abschnitt mit einem positiven Beispiel an: Die Magdeburger Philharmonie ist wie Erfurt ein B-Orchester mit Fußnote. Am Theater Magdeburg wird wie in Erfurt neben dem Konzertbetrieb Musiktheater (landläufig als Oper bekannt) dargeboten. Wie Erfurt liegt Magdeburg in einem Bundesland, das nicht gerade für Strukturstärke bekannt ist. Wie Erfurt ist Magdeburg die Landeshauptstadt. Ähnliche Voraussetzungen also, könnte man meinen. Doch wie ist es dann zu erklären, dass in Erfurt 60 € / 100 € gezahlt werden, in Magdeburg aber mit 150 € / 225 € mehr als das doppelte? Ehrlich gesagt klingen die Zahlen aus Magdeburg schon fast zu gut, um wahr zu sein. Damit wäre Magdeburg das einzige Orchester deutschlandweit, was mehr als die von unisono empfohlenen Sätze zahlt. Klar, wenn man vernünftige Honorarstandards anwenden würde, läge auch Magdeburg im roten Bereich. Aber bei all diesen negativen Ergebnissen muss man ja das wenige positive herausstreichen!

Das Beispiel aus Magdeburg nimmt auch allen anderen Klangkörpern die Argumentationsbasis für die Behauptung, solche Sätze seien ja gar nicht möglich. Wo ein Wille ist, ist offensichtlich auch ein Weg! Ein Orchester wie Erfurt, was 60 € für eine Probe zahlt, tut dies ganz bewusst. Budgetknappheit mag eine gewisse Rolle spielen, aber man muss auch schauen, wie diese Knappheit zustande kommt. Letztendlich handelt es sich um eine finanzielle Priorisierung, die in Kauf nimmt, dass Aushilfen so schlecht bezahlt werden. Alleine für diesen Vergleich ist es gut, dass es die Aushilfenampel gibt. Aber genug Dresche für Erfurt, es gibt schließlich noch andere schwarze Schafe.

Sowohl unisono als auch 121 von 122 Klangkörpern in Deutschland sind der Meinung, dass eine Aufführung mit einem höheren Satz zu vergüten sei, als eine Probe. Darüber kann man sicher streiten, aber ich denke, wir können hier von einem gewissen Konsens sprechen. Nur beim Preußischen Kammerorchester Prenzlau hat man davon wohl noch nicht gehört. Egal ob Probe oder Aufführung – in Prenzlau bekommt man immer 75 € in die Hand gedrückt. Dass dies sowohl prozentual wie auch in absoluten Zahlen der letzte Platz bei den Aufführungssätzen ist, sollte klar sein. Es handelt sich zwar um ein Orchester ohne Tarifvertrag, trotzdem frage ich mich, was das soll. Solche Sätze sind an Geringschätzung für die künstlerische Arbeit der Aushilfen kaum zu überbieten. Immerhin: So lässt sich leichter ausrechnen, welches Honorar man für ein Projekt erhält!

Ich glaube, ich habe es schon erwähnt: Erfurt schneidet ziemlich schlecht ab. Platz 121 von 122 bei der kombinierten Wertung lassen eigentlich nur eine Frage offen: Wer schneidet denn bitteschön noch schlechter ab? And the winner is: Der Rundfunkchor Berlin! Herzlichen Glückwunsch zu 60 € für eine Probe und 120 € für eine Aufführung. Für diese Sätze müsste sich eigentlich schon ein D-Orchester schämen, doch dieser Chor fällt tatsächlich in die Kategorie A! Bei den Aufführungssätzen liegt der Chor prozentual auf dem vorletzten Platz, bei den Probensätzen musste ich extra die neue Kategorie „weniger als 40% der Empfehlung“ schaffen. Generell fällt auf, dass die sechs erfassten Chöre sehr schlecht oder kurios zahlen. Die Chöre des bayerischen Rundfunks und des MDR schneiden nur knapp besser ab als Berlin, während das SWR-Vokalensemble mit 270 € den mit Abstand besten Aufführungssatz zahlt. Eine grüne Wertung erhält der SWR trotzdem nicht, da der Probensatz zu niedrig ist. Der bereits oben erwähnte RIAS-Chor aus Berlin ist der einzige Klangkörper, bei dem der Probensatz im roten und der Aufführungssatz im grünen Bereich liegt. Lediglich das NDR Vokalensemble aus Hamburg bekommt eine normal-langweilige gelbe Wertung. Wie solche ungleichen Sätze bei ähnlichen Voraussetzungen zustande kommen, ist mir völlig unklar.

Der Prozent-Bereich, in dem man liegen muss, um eine gelbe Wertung zu bekommen, liegt ja bei 70 bis 90%. Vielleicht sollte man dieselbe Spanne für die rote Wertung übernehmen, also 50 bis 70%. Wir bräuchten dann eine neue Kategorie für alle, die darunter liegen. Wie wäre es mit Schwarz? Auf dieser „Blacklist“ landen dann folgende Klangkörper:

  • Berlin – Rundfunkchor Berlin (P: 37,50%; A: 50%; ⌀: 43,75%)
  • Erfurt – Philharmonisches Orchester Erfurt (P: 42,86%; A: 52,63%; ⌀: 47,74%)
  • Konstanz – Südwestdeutsche Philharmonie (P: 46,43%; A: 52,63%; ⌀:49,53%)
  • München – Chor des Bayerischen Rundfunks (P: 46,88%; 62,08%; ⌀:54,48%)
  • Prenzlau – Preußisches Kammerorchester (P: 65,22%; A: 45,45%; ⌀: 55,34%)

Würde man die Empfehlungen des Deutschen Musikrats für 2025 als Richtwert nehmen, erhielten alle Klangkörper eine rote Wertung. Unisono hat diese Empfehlungen mit ausgearbeitet.

Unisono sind nicht die Einzigen, die Honorarempfehlungen herausgeben. Im Prinzip meldet sich jeder Verband, der etwas mit Musik zu tun hat, gelegentlich zu Wort, um teils realistische, teils völlig utopische Werte zu veröffentlichen. Für diese Analyse habe ich mir die Mühe gemacht, die Aushilfssätze mit diesen alternativen Empfehlungen zu vergleichen. Das ist nicht ganz einfach, da unisono noch nach Proben- und Aufführungssatz trennt, während fast alle anderen mit Tagessätzen rechnen. Es ist auch nicht immer klar, was genau ein Tagessatz beinhalten soll. Bei ihren Empfehlungen für freie Musikprojekte trennt unisono zwischen einem Probensatz und einem „Tagessatz (inkl. Konzert)“. Ich würde das so verstehen, dass eigentlich immer der Tagessatz gilt, aber an Tagen, an denen nur eine Probe stattfindet, auch der Probensatz zur Anwendung kommen kann. Der Deutsche Musikrat erklärt zwar in seinen Honorarempfehlungen, dass ein Probensatz eine Probe und ein Tagessatz zwei Proben, GP plus Aufführung oder Anspielprobe plus Aufführung bedeuten kann, er empfiehlt aber keinen separaten Probensatz. Da in dieser Erklärung der Fall, dass man nur eine Aufführung ohne Probe an einem Tag hat, nicht vorkommt, kann ich nur vermuten, dass dann ebenfalls der Tagessatz gilt.

Ich habe selbst nie für Tagessätze gespielt, da das bei Berufsorchestern nicht üblich ist. Von anderen Musiker*innen habe ich aber erfahren, dass manchmal auch Tagessätze gezahlt werden, wenn nur eine Probe pro Tag stattfindet. Die Verwirrung ist also mal wieder groß! Ich habe daher in meiner Analyse nur Probensätze und das Rechenbeispiel „Konzerteinspringer“ (eine Probe plus eine Aufführung) verglichen. Beim Rechenbeispiel habe ich zwei Fälle unterschieden: 1. Probe und Aufführung finden an einem Tag statt, dann wird das kombinierte Honorar mit einem Tagessatz verglichen, und 2. Probe und Aufführung finden an zwei Tagen statt, dann wird das kombinierte Honorar mit einem Tagessatz plus – je nach Empfehlung – einem Probensatz, einem halben Tagessatz oder einem dreifachen Stundensatz verglichen. Das klingt kompliziert – ist es auch. Ich halte dieses Durcheinander bei der Bezahlung und die damit verbundene fehlende Vergleichbarkeit für einen der Gründe, warum die Honorare oft so niedrig sind. Habe ich jetzt gut verdient, wenn ich an einem Tag 300 € bekommen habe? Wenn ich zu Fuß in den Probenraum gehen kann, da mal eben schnell in zehn Minuten meine einzige Passage in der ganzen Oper runterreißen kann und dafür 80 € bekomme, ist das doch kein schlechter Stundenlohn, oder? Niemand blickt da wirklich durch!

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, kann man sagen, dass die unisono-Empfehlungen äußerst großzügig für die Auftraggeberseite sind. Ich bin kein Jurist. Mit welchen Spitzfindigkeiten man jetzt belegen könnte, dass die von mir verglichenen Empfehlungen ja gar nicht auf die Berufsorchester und -chöre zuträfen, kann ich nicht beurteilen. Ob die Berufsorchester und -chöre unter die angekündigte Regelung fallen, dass in Zukunft Fördermittel davon abhängen, ob man sich an Honorarstandards hält, weiß ich auch nicht. Ich bin der Meinung, dass sich bei Probensätzen von 60 € eigentlich jegliche Diskussion erübrigt. Aber das sehen viele Klangkörper offenbar anders. Würde man andere Honorar-Empfehlungen als Basis für die Aushilfenampel nehmen, würde schnell ganz Deutschland rot sehen. Der für 2025 vom Deutschen Musikrat empfohlene Tagessatz von 675 € würde auch dann zu keiner einzigen gelben Wertung führen, wenn die Probe und die Aufführung an einem Tag stattfinden würden. Das SWR Vokalensemble ist in der Kategorie „Probe plus Aufführung in €“ dank ihres absurden Aufführungssatzes der Spitzenreiter. Und selbst sie kämen nur auf 60,74% der Empfehlungen – also rund 10% unter der Grenze zur gelben Wertung. Nur zwölf Klangkörper würden mehr als 50% zahlen. Alle anderen kommen ab 2025 auf meine Blacklist. Die Pointe dabei? Unisono war an der Ausarbeitung dieser Sätze beteiligt. Ich habe unisono nach der großen Diskrepanz zwischen ihren Sätzen und den Empfehlungen des DMR gefragt – die Antwort steht noch aus.

Zusätzliche Diagramme und Tabellen

Wer jetzt noch nicht genug hat von Prozentwerten, Tabellen und Diagrammen, kann sich gerne mal durch alles klicken, was ich im Text nicht mehr unterbringen konnte. Die Rohdaten kann man sich hier herunterladen:

Analyse der Aushilfenampel.xls

Analyse der Aushilfenampel.ods

Ich werde versuchen, die Datei mit den Rohdaten aktuell zu halten, falls sich doch noch der ein oder andere Klangkörper dazu entschließt, seine Sätze an ein Niveau anzugleichen, das wenigsten ein bisschen Wertschätzung für die Arbeit der Aushilfen zeigt. Dazu möchte ich gerne abschließend noch einmal unisono zitieren:

Aushilfen müssen für Ihren Einsatz sehr gut vorbereitet sein und sich perfekt in den Klangkörper integrieren können. Für diese anspruchsvollen Tätigkeiten müssen sie angemessen honoriert werden. Freischaffende, die Ihren Lebensunterhalt überwiegend mit Aushilfsleistungen finanzieren, müssen davon leben können.

Quellen

Alle Daten stammen aus der Aushilfenampel von unisono: https://uni-sono.org/aushilfenampel/

Die Mindesthonorare für Aushilfen in Orchester und Rundfunkchören sowie die Mindesthonorare für freie Musikprojekte von unisono können hier abgerufen werden: https://uni-sono.org/projekte-kampagnen/mindest-und-aushilfenhonorare/

Die alternativen Honorarempfehlungen können hier eingesehen bzw. berechnet werden:

DTKV BW: https://www.dtkv-bawue.de/post/7-auflage-der-honorarstandards-des-tkv-baden-wuerttemberg-2023

ver.di: https://www.basishonorare.de/

Deutscher Musikrat: https://www.musikrat.de/media/aktuelles/meldung/fuer-ein-faires-und-funktionierendes-system
Die Beteiligung unisonos wird im PDF-Anhang erwähnt.

Anmerkungen

Position von unisono

Ich bin in Kontakt mit unisono und habe ihnen die im Text genannten Fragen gestellt. Sobald unisono die Fragen beantwortet, werde ich das im Text vermerken. Ich habe sie auch auf kleinere Fehler (z.B. Rechtschreibfehler oder fehlerhafte Links) hingewiesen. Unisono hat freundlicherweise ein paar davon direkt korrigiert. Bei der nächsten Aktualisierung der Analyse werde ich alle Korrekturen in den eingebetteten Diagrammen übernehmen.

Einstufung der Klangkörper

Nicht alle Klangkörper nutzen den Tarifvertrag für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern (TVK) A, B, C oder D. Es gibt Klangkörper, die einen Haustarifvertrag nutzen. Dies trifft unter anderem auf alle Rundfunkklangkörper zu, die von unisono automatisch der Kategorie A und den damit verbundenen Aushilfssätzen zugerechnet werden. Bei anderen Klangkörpern mit Haustarifvertrag oder ohne Tarifvertrag ist die Zuordnung nicht eindeutig. Abweichungen in dieser Analyse sind also möglich.

Nicht erfasste Klangkörper

Zum Zeitpunkt dieser Analyse waren für 14 Klangkörper keine Werte verfügbar. Elf wurden von unisono der Kategorie „aktuell ohne Werte“ zugeordnet. Die Unterseiten der Bochumer Symphoniker und des Philharmonischen Orchesters Hagen waren nicht abrufbar, waren aber als „Gelb“ eingruppiert. Die Neue Philharmonie Westfalen Recklinghausen/Gelsenkirchen war ebenfalls unter „Gelb“ eingruppiert, wies aber keine Werte auf. Da die Werte dieser drei Orchester somit nicht überprüfbar waren, habe ich sie aus der Analyse ausgenommen und in die Kategorie „keine Angaben“ eingruppiert. Ergänzung: Auf meinen Hinweis hin hat unisono die beiden Links korrigiert, sodass die Werte wieder abrufbar sind. Ich werde sie zu gegebener Zeit in die Analyse einfügen.

Validität der Angaben

Die für diese Analyse verwendeten Aushilfshonorare stammen ausschließlich von der unisono-Homepage. Dort wird nicht erwähnt, wie diese Werte zustande kommen und ob sie von den freien Musiker*innen oder den Klangkörpern selbst erhoben wurden. Bei einzelnen Werten ist es wahrscheinlich, dass es sich um nicht mehr aktuelle Angaben handelt. Für die Richtigkeit der Werte und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen kann ich also nicht garantieren. Sollte sich in Zukunft etwas an den Werten auf der unisono-Homepage ändern, werde ich die Analyse nur dann aktualisieren, wenn sich am Gesamtbild etwas grundlegend geändert hat.

Klangkörper, die zwei Bundesländern zugerechnet werden

Die Vogtland Philharmonie Greiz Reichenbach und die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern werden zwei Bundesländern zugerechnet. Für die Statistiken, die die Verteilung der Werte nach Bundesland angeben, wurden diese Orchester daher zweimal gewertet. Daraus ergibt sich in diesen Statistiken eine um zwei abweichende Gesamtzahl der Klangkörper. In den Statistiken, die eine deutschlandweite Auswertung angeben, wurden sie nur einmal gezählt.

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