An den zurückliegenden Wochenenden fanden – wie jede(r) MusiklehrerIn weiß – die Regionalwettbewerbe „Jugend Musiziert“ statt. Und wie jedes Jahr waren anschließend die sozialen Netzwerke gefüllt mit Fotos, auf denen Kinder glücklich ihre Instrumente bzw. ihre Urkunden in die Kamera halten. Ach ja, die lieben Kleinen… Das gibt Erinnerungen fürs ganze Leben. Wenn man die Bilder sieht, kramt man unweigerlich die eigenen – bei uns natürlich noch analogen, also auf echtem Fotopapier – heraus.
Peinliche Kindheitsfotos
Und dann denkt man manchmal: O Gott, hat man die Haare damals wirklich so getragen? Ist der Ortsteilbürgermeister, dem ich bei der Preisverleihung die Hand schüttle, nicht später in eine rechtsextreme Partei eingetreten? Und wieso bitteschön hat Mama mir nicht verboten, die rosa Ringelsocken im Preisträgerkonzert zu tragen? Jede(r) wird irgendwo solche Kindheitsfotos herumliegen haben, die ihm oder ihr heute unangenehm bis schrecklich peinlich sind. Zum Glück sind bei uns diese Bilder nur im Fotoalbum gelandet, direkt neben der Dokumentation der ersten Töpfchen-Versuche. Der Personenkreis, der auf diese Fotos Zugriff hat, beschränkt sich lediglich auf die engsten Verwandten.
Das hat sich mit dem Internet und den sozialen Netzwerken grundsätzlich geändert. Das Internet vergisst nie, heißt es. Ist ein Bild einmal im Netz gelandet, ist es nahezu unmöglich, es vollständig und dauerhaft zu löschen. Selbst wenn man es schaffen sollte, eine Löschung juristisch durchzusetzen, reicht eine einzige Kopie auf irgendeinem Server, und die Wiederverbreitung kann jederzeit von Neuem losgehen. Darüber hinaus landen Bilder leicht an Stellen, die man beim Hochladen nicht beabsichtigt hat.
Das alles dürfte jedem, der Fotos von seinen Kindern oder SchülerInnen macht und hochlädt, eigentlich klar sein. Warum das Problem dennoch von vielen ignoriert wird, könnte ein ganzes Buch füllen und soll hier nicht thematisiert werden. Wir wollen in diesem Artikel einmal ganz von vorne anfangen und der Frage nachgehen: Wann darf ich Fotos von meinen SchülerInnen machen und ins Netz stellen?
Das Recht am eigenen Bild
Grundsätzlich hat jede Person in Deutschland ein Recht am eigenen Bild. Das bedeutet: Ich habe die Entscheidungshoheit darüber, ob ich fotografiert werde und in welcher Form mein Bild veröffentlicht wird. Dieses Recht geht so weit, dass ich einer Veröffentlichung nicht explizit widersprechen muss, sondern der oder die FotografIn eine aktive Einwilligung von mir braucht. Hat er oder sie die nicht und veröffentlicht das Bild, macht er oder sie sich theoretisch strafbar. Es gibt natürlich Ausnahmen dieses Gesetzes, doch diese treffen allesamt nicht auf die Situationen zu, von denen wir hier sprechen – selbst die Verleihung eines ersten Preises an meinen kleinen Schatz dürfte eher nicht in die Kategorie „Zeitgeschichte“ fallen.
Möchte man also fotografieren und die Bilder nicht nur privat verwenden, sondern veröffentlichen, braucht man eine Einwilligung aller abgebildeten Personen. Der Begriff „privat“ ist im digitalen Zeitalter allerdings nicht mehr so einfach zu bestimmen: Schon beim Hochladen in einem sozialen Netzwerk oder beim Teilen per WhatsApp verlässt ein Bild schnell den privaten Rahmen. Eine Einwilligung sollte man sich schriftlich geben lassen. Darin sollte genau stehen, zu welchem Zweck man die Bilder angefertigt hat. Plant man beispielsweise, die Bilder in seiner Instagram-Story zu posten, muss man dies genau so in die Einwilligung schreiben. Kostenlose Vorlagen für solche Einwilligungen sind leicht im Internet zu finden. Die Einwilligung kann auch mündlich und sogar stillschweigend erfolgen, allerdings hat dann im Zweifelsfall der oder die FotografIn das Problem, dass er oder sie die Einwilligung nachweisen muss.
Diese Einwilligungsverpflichtung ist besonders im Umgang mit Kindern heikel. Bis zum siebten Lebensjahr können Kinder grundsätzlich keiner Veröffentlichung zustimmen. Die Einwilligung ist in jedem Fall bei den Eltern einzuholen. Ab dem siebten Lebensjahr wird die Sache kompliziert: Ist ein Kind „einsichtsfähig“, kann auch dessen Wille bindend sein. Wann genau das zutrifft, ist juristisch nicht geklärt und im Einzelfall zu entscheiden. Man geht davon aus, dass ein Kind ab dem 14. Lebensjahr die Folgen einer Einwilligung absehen kann. Aber Achtung: Das heißt nicht, dass ein einsichtsfähiges Kind der Veröffentlichung zustimmen und seine Eltern damit „überstimmen“ kann! Bis zur Volljährigkeit müssen zusätzlich auch die Eltern einwilligen. Ab dem 18. Geburtstag reicht dann die Einwilligung des oder der Abgebildeten.
Verstöße müssen von der betroffenen Person angezeigt werden
Nach so vielen komplizierten juristischen Begriffen fragt man sich unweigerlich: Habe ich bisher erstens alles falsch gemacht? Komme ich jetzt zweitens ins Gefängnis? Die Antwort lautet erstens wahrscheinlich ja und zweitens nein: Wirksame Einwilligungen liegen bei der Veröffentlichung von (privaten) Fotos in den seltensten Fällen vor. Viele kennen die Gesetzeslage nicht oder ignorieren sie. Und sind wir mal ehrlich: Eine Einwilligung für jeden Schnappschuss ist auch nicht gerade lebenspraktisch. Aber ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild muss immer von der abgebildeten Person bzw. deren Eltern angezeigt werden; und auch das kommt sehr selten vor.
Ernsthafte Konsequenzen hat man nur in Extremfällen zu befürchten; etwa, wenn Bilder für kommerzielle Zwecke genutzt werden, die abgebildete Person in einer hilflosen Lage zeigen oder dem Ansehen der Person schaden. Das alles sollte bei JuMu-Schnappschüssen nicht der Fall sein. Dennoch gibt es neben der Gesetzeslage auch noch die Regeln des Anstands und der Höflichkeit. Ein simples „Darf ich ein Foto von Ihnen machen?“ ist da wesentlich besser, als einfach sein Handy zu zücken und loszuknipsen. Eine schriftliche Einwilligung mag bürokratisch erscheinen, doch wird so manchem und mancher Abgebildeten vielleicht dann erst klar, wozu seine oder ihre Bilder überhaupt verwendet werden. Ein(e) seriöse(r) FotografIn würde niemals ohne Einwilligungen arbeiten.
Vorsicht bei kommerzieller Nutzung
Apropos kommerzielle Nutzung: Hier existiert das weit verbreitete Missverständnis, dass eine kommerzielle Nutzung nur dann vorliegt, wenn man Bilder verkauft. Das ist aber nicht der einzige Fall! Es wird oft übersehen, dass man auch anderweitig einen sogenannten „geldwerten Vorteil“ durch die Veröffentlichung erlangen kann, beispielsweise durch Werbung. Der Begriff der Werbung ist unter Umständen sehr weit gefasst: Wer als MusiklehrerIn auf seiner oder ihrer Homepage Bilder aus dem Unterricht veröffentlicht, wirbt damit ja unter Umständen auch für seine oder ihre Arbeit. Das sollte dann unbedingt in der Einwilligung festgehalten werden. Wer ganz sicher gehen will, kann der abgebildeten Person auch eine Vergütung zahlen; damit gilt eine Einwilligung in der Regel als wirksam erteilt.
Bei „Jugend Musiziert“ gilt übrigens ein generelles Foto- und Filmverbot in den Wertungsspielen. Das hat allerdings weniger mit dem Recht am eigenen Bild zu tun. Es soll vielmehr verhindert werden, dass Eltern oder LehrerInnen das Bildmaterial hinterher als „Beweismittel“ für angeblich ungerechte Bewertungen nutzen. Und die Kinder sollen beim Spielen natürlich auch nicht durch Blitzlichtgewitter oder durch nach der besten Kameraperspektive suchende Eltern abgelenkt werden. Anders sieht es bei den Preisträgerkonzerten aus: Dort wird oftmals eine Teilnahme an die Bedingung geknüpft, dass man Aufnahmen zustimmt. Ob eine solche pauschale Einwilligung rechtens ist, halten wir aber für fraglich.
Komplizierte Gesetzeslage
Insgesamt ist das Recht am eigenen Bild ein kompliziertes Konstrukt, das durch das Internet-Zeitalter und die DSGVO nicht einfacher geworden ist. Schon bei unserer eigenen Recherche für diesen Artikel sind wir auf viele Widersprüche gestoßen. Es gibt viele Gerichtsurteile zu diesem Thema mit teils unterschiedlichen Ergebnissen. Das liegt daran, dass oft zwischen Persönlichkeitsrechten und Presse- bzw. Kunstfreiheit abgewogen werden muss. Eine abschließende Beurteilung kann immer nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der beste Rat ist also: Zurückhaltend fotografieren und im Zweifelsfall immer nachfragen! Vielleicht muss ja auch nicht jeder Moment des Lebens in Bild und Ton festgehalten werden…
Durch das Vorlegen einer Einwilligungserklärung kann man übrigens auch das Schüler-Lehrer-Verhältnis verbessern: Man zeigt, dass man sich der Problematik bewusst ist und den oder die SchülerIn ernst nimmt. Das wirkt nicht kleinlich oder unsicher, sondern zeugt von Autorität: Bei den Kindern wird vielleicht hängenbleiben: „Mein(e) LehrerIn weiß, was er oder sie tut! Und vielleicht sollte ich das nächste Mal auch zweimal darüber nachdenken, bevor ich ein Bild von mir poste…“